Scheinwelten

Folge: 857 | 1. Januar 2013 | Sender: WDR | Regie: Andreas Herzog
Bild: WDR/Uwe Stratmann
So war der Tatort:

Ehekriselnd.

Denn in Schweinwelten stehen gleich zwei Ehen auf dem Prüfstand: Zum einen die der ghanaischen Putzkraft Adjoa (Joana Adu-Gyamfi, Bienzle und der Taximord) und des deutschen Ex-Sträflings Frank (Konstantin Lindhorst), die offenbar nur auf dem Papier existiert und einzig dazu dient, die Afrikanerin illegal in der Bundesrepublik zu parken.

Vor allem aber die des langjährigen Kölner Staatsanwalts Wolfgang von Prinz (Christian Tasche), dessen erstmalig im Tatort zu sehende Gattin Beate (Jeanette Hain) als gutverdienende Rechtsanwältin seit jeher für den Finanzhaushalt der zwanzigjährigen von Prinz-Ehe, die sich schnell als bittersüße Farce entpuppt, verantwortlich ist. Und die schon bald unter Mordverdacht gerät, nachdem der Sohn von Jakob Broich (Hans Peter Hallwachs, Schiffe versenken), für den von Prinz mit hohen Beträgen jongliert, tot in seiner Wohnung aufgefunden wird.

Keine Frage: Grimme-Preisträgerin Jeanette Hain, die einst in Im freien Fall als junge Geliebte des Münchener Kommissars Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) brillierte und der BILD-Zeitung vorab zu Protokoll gab, dass "nackt [...] oder angezogen" für sie "aufs Gleiche" rauskomme, dominiert den 857. Tatort als Nebendarstellerin nach Belieben und bringt die Arroganz der wortgewandten Juristin mit bemerkenswerter Eiseskälte auf die Mattscheibe.

Regisseur und Tatort-Debütant Andreas Herzog, nicht verwandt oder verschwägert mit dem gleichnamigen Kaugummijongleur aus Österreich, inszeniert einen sehenswerten und unterhaltsamen Tatort, der sich spätestens im Mittelteil zu einem emotionalen Ehedrama entwickelt. Der unerwünschte Nebeneffekt: Von einem klassischen Sonntagskrimi bleibt im treffend betitelten Scheinwelten zwischenzeitlich nicht viel übrig.

Das Drehbuch, in dem die Themen Pfandpiraterie und Facility Management fast im Vorbeigehen abgefrühstückt werden, wirkt oft überfrachtet: Autor Johannes Rotter, ebenfalls zum ersten Mal für die Krimireihe im Einsatz, arbeitet die von Prinzsche Ehekrise in aller Ausführlichkeit aus und verknüpft sie eng mit dem beruflichen Schicksal des Staatsanwalts, über den der Zuschauer endlich einmal ein wenig mehr erfährt als das, was sich im Kölner Tatort sonst meist zwischen Tür und Angel auf dem Präsidium abspielt.

Da bestechen die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ihre Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt), die später in Franziska ihren spektakulären Abschied feiert, schon einmal mit einem Stück Erdbeerkuchen, um wertvolle Informationen aus der forensischen Abteilung zu erfragen und ihren Chef zumindest für ein paar Stunden aus der Schusslinie zu halten. 

Zeit für einleitende Diskussionen unter Kollegen bleibt natürlich dennoch – schließlich spielt der Tatort in Köln, und da gehört die (müde) Sozialkritik so fest zum Inventar wie das Kölsch und die Currywurst am Rheinufer.


SCHENK:
Ich geb 'ner Frau aus der Dritten Welt Arbeit, bin ich deshalb Rassist?


Bewertung: 6/10

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