Das verkaufte Lächeln

Folge: 928 | 28. Dezember 2014 | Sender: BR | Regie: Andreas Senn
Bild: BR/Elke Werner
So war der Tatort:

Gewöhnungsbedürftig.

Es dauert nämlich eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hat, dass Maxim Mehmet in einem Tatort nicht den treuen Kriminalassistenten Menzel mimt: Der blonde Schauspieler, der seit 2008 (Debüt in Todesstrafe) an der Seite der Leipziger Hauptkommissare Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) auf Täterfang geht, verkörpert im Münchner Tatort Das verkaufte Lächeln den pädophilen Hauptverdächtigen Guido Buchholz – und ist deshalb alles andere als ein Sympathieträger.

Getötet haben soll Buchholz den 14-jährigen Tim Kiener, der im Internet gegen Kreditkartenzahlung und teure Geschenke freizügige Videos von sich angeboten hat. Für Mehmet bietet die ungewohnte Rolle die sicher nicht unwillkommene Gelegenheit, Werbung in eigener Sache zu betreiben: Nicht zuletzt, weil der Leipziger Tatort 2016 eingestellt wird, empfiehlt sich der leinwanderprobte Schauspieler mit seiner soliden Performance schon mal für weitere Engagements.

Familienvater Buchholz ist als Figur allerdings recht klischeehaft angelegt (Trainieren von Nachwuchskickern inklusive), und so sind die Stars im 928. Tatort zwei Jungdarsteller, die bereits gemeinsam für den Publikumshit Fack ju Göhte vor der Kamera standen: Anna-Lena Klenke und Nino Böhlau mimen Hanna Leibold und Florian Hof, Freunde des Opfers, die sich mit Netz-Prostitution ebenfalls bestens auskennen, während ihre Eltern völlig ahnungslos sind. Klenke überzeugt als freizügige Webcam-Lolita ebenso wie Böhlau, der als emotional zermürbter bester Freund des Toten eine Schlüsselrolle stemmt.

Die Beweggründe, warum sich Hanna bereitwillig vor der Webcam auszieht (und auch Leitmayr ins Schwitzen bringt), hätte man allerdings noch ausführlicher ausarbeiten können: Die alleinige Sehnsucht nach mehr Taschengeld klingt bei ihr weniger plausibel als bei Opfer Tim, der anders als die hübsche Tochter wohlhabender Eltern aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammt.

Dennoch wirkt Das verkaufte Lächeln beunruhigend und zeitgemäß, was angesichts der digitalen Stolpersteine alles andere als selbstverständlich ist. Wenn sich Tatort-Autoren mit den Neuen Medien beschäftigen, stehen sie immer vor einem Dilemma: Während sich die jungen Zuschauer im Internet meist besser auskennen als die Filmemacher, verstehen große Teile des älteren Publikums bei Begriffen wie IP-Adresse nur Bahnhof. Zuletzt klang das dann meistens ziemlich hölzern – zum Beispiel in den durchwachsenen Kölner Tatort-Folgen Ohnmacht und Wahre Liebe, in denen sich Online-Laie Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) über Begriffe wie Avatar oder LOL aufklären ließ.

Regisseur Andreas Senn (Kaltblütig) und Drehbuchautor Holger Joos finden in Das verkaufte Lächeln eine elegantere Lösung: Sie setzen den sympathischen Jung-Assistenten Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) vor den Rechner, der beim Passwort-Knacken nebenbei auf der Konsole zockt (eine der spaßigsten Szenen des Krimis) und den ergrauten Hauptkommissaren Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) ungekünstelt erklärt, was sie wissen müssen. Die geben sich weder sonderlich beeindruckt, noch überrascht – ob sie gerade dazu gelernt haben oder sich in ihren Vermutungen bestätigt sehen, bleibt einfach ihr Geheimnis.

Ein Geheimnis bleibt lange auch die Auflösung der Täterfrage: Nach den vielen vorhersehbaren Folgen der letzten Wochen (vgl. Die Feigheit des Löwen oder Der Maulwurf) darf diesmal wieder fleißig mitgerätselt werden. Wenngleich die richtige Antwort nicht die ganz große Überraschung ist, bietet sie doch Gelegenheit für einen dramatischen Showdown, bei dem Katharina Marie Schubert (Ein neues Leben) stark aufspielt und bei dem die Filmemacher erst im letzten Moment die Handbremse ziehen.

So ist Das verkaufte Lächeln unter dem Strich ein verhalten beginnender, am Ende aber mitreißender Krimi, der das Tatort-Jahr 2014 nach vielen Höhen und Tiefen würdig abrundet. Von Fallanalytikerin Christine Lerch (Lisa Wagner), die auch diesmal nur wenige Minuten zu sehen ist, darf in Zukunft allerdings gerne mehr kommen.

Bewertung: 7/10

2 Kommentare:

  1. Huhu,

    ich fand den Tatort auch etwas ungewohnt - das Thema schnürt mir als junge Mutter immer den Magen zu :( Aber es ist gut, dass auch solche Tabu-Themen thematisiert werden, sonst verlieren die Menschen sie aus dem Blick.

    Ich weiß nur noch nicht, was ich von der Fallanalytikerin Christine Lerch halten soll. Mal schauen, ob man sie nun öfter sieht. :)

    Liebe Grüße.
    Annabelle

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  2. Wann gab es denn einmal wieder einen richtig guten Tatort? Ich kann mich nicht erinnern! Schön die GEZ Gebühren verpulvern für so einen Mist...

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