Frau Bu lacht

Folge: 322 | 26. November 1995 | Sender: BR | Regie: Dominik Graf
Bild: BR/MTM Cineteve GmbH/Rolf von der Heydt
So war der Tatort:

Extrem gewagt – und auch deshalb so unglaublich gut. 

Frau Bu lacht ist kein Sonntagskrimi im klassischen Sinne, keine knifflige Mördersuche, sondern vielmehr ein mutiges, erschütterndes Drama mit einem hochspannenden, revolutionären Finale, das bis heute zu den meistdiskutierten der Tatort-Geschichte gehört. 

Die Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die bei ihren Ermittlungen diesmal nach Kräften von der gemeinsamen Freundin Jenny (Barbara-Magdalena Ahren, Das Glockenbachgeheimnis) unterstützt werden, lassen die Täterin und ihre kleine Tochter nicht nur ungestraft entkommen, sondern verhelfen der geständigen Sita Mauritz (Anna Villadolid), die ihren ermordeten deutschen Mann über ein Eheinstitut kennengelernt hat, durch Behinderung der eigenen Kollegen sogar zur Flucht in ihre thailändische Heimat. Da wird der ahnungslose Carlo Menzinger (Michael Fitz) fast zum Buhmann, weil er die Fahndung nach der Flüchtigen rausgegeben hat – das muss man sich als Filmemacher erstmal trauen. 

Für den Zuschauer wäre die überraschend konsequente Selbstjustiz der Münchener Kommissare wohl auch weniger leicht zu verkraften, wenn die Sympathien in Frau Bu lacht, dessen Titel seinen Ursprung in einem Märchen hat, nicht so ungewöhnlich verteilt wären: Drehbuchautor Günter Schütter legt die Geschichte gezielt so an, dass das Publikum in den Schlussminuten der fliehenden Mörderin die Daumen drückt. Die Frage nach Recht und Unrecht, Schuld und Unschuld ist manchmal eben nicht so leicht zu beantworten – schon gar nicht von Paragraphen.

Filmemacher Dominik Graf (Schwarzes Wochenende) nimmt für den Tatort zum zweiten Mal auf dem Regiestuhl Platz und beschert der öffentlich-rechtlichen Krimireihe zu ihrem 25. Geburtstag ein echtes TV-Ereignis: Die brisanten Themen Frauenhandel und Kindesmissbrauch werden weit weniger plakativ behandelt als im – unbestritten spannenden und unterhaltsamen – Kölner Tatort Manila, der drei Jahre später für einen zweifellos ehrenvollen, groß angelegten Spendenaufruf der Hauptdarsteller missbraucht wird. 

Schwarz-Weiß-Malerei ist im 322. Tatort ein Fremdwort. Exemplarisch dafür steht das Verhör des pädophilen Dr. Zimmer (Ulrich Noethen, Tempelräuber), der sich ebenfalls eine Frau in Ostasien "bestellt" hat und den Kommissaren unverblümt seine Neigungen eingesteht, aber auch ins Feld führt, dass in anderen Kulturen die Heirat von Kindern erlaubt ist. 

Gekonnt nähert sich Graf seinen Figuren an, ohne sich an müden Klischees oder oberflächlicher Charakterzeichnung die Finger zu verbrennen, und bringt sogar das Kunststück fertig, mit dem frechen Crickett (Maverick Quek, Ruhe sanft) einen sympathischen Pausenclown und ein halbes Dutzend humorvoller Szenen stimmig in die ansonsten zutiefst bedrückende Geschichte zu integrieren. 

Das ist große Fernsehunterhaltung mit beklemmendem, sozialkritischem Ansatz – und damit ist Frau Bu lacht nicht nur einer der besten Fadenkreuzkrimis aus der Isarstadt, sondern zugleich eine der besten Tatort-Folgen überhaupt. 

Bewertung: 10/10