Tod im All

Folge: 350 | 12. Januar 1997 | Sender: SWF | Regie: Thomas Bohn
Bild: SWR/Tschira
So war der Tatort:

Extraterrestrisch.

Und zum Glück bei weitem nicht so abgefahren, wie es der ungewöhnliche Krimititel Tod im All befürchten lässt: Regisseur und Drehbuchautor Thomas Bohn (Das schwarze Haus) inszeniert einen Tatort, der zwar nach einer abstrusen Science-Fiction-Story klingt, aber über weite Strecken in der Realität geerdet ist (vom denkwürdigen Schlussakkord einmal abgesehen). 

Das liegt nicht zuletzt daran, dass Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) keine Träumerin ist, den weit verbreiteten Mutmaßungen, der verschwundene Bestseller-Ufologe Lunik van Deeling (Dietmar Schönherr, Nicht jugendfrei) sei zu Besuch bei Außerirdischen, keinen Glauben schenkt und vielmehr auf einen groß angelegten PR-Gag zur Steigerung der Buchauflage tippt. 

Der Zuschauer ist da ganz bei ihr und des Firlefanzes um die Existenz von extraterrestrischem Leben schnell überdrüssig. Spätestens, wenn die aufgebrezelte Rockröhre Nina Hagen ihren Hit Zero Zero U.F.O. durch einen Szeneclub schmettert, ist es des Guten zu viel. Und doch wirken Odenthals lautstarke Gefühlsausbrüche in den seltensten Fällen authentisch: Gleich mehrfach brüllt die genervte Ludwigshafener Kommissarin den verdatterten Kriminalrat Friedrichs (Hans-Günter Martens) an, um sich später mit einer putzigen E.T.-Statue bei ihm zu entschuldigen. 


ODENTHAL:
Mir geht das galaktische Gequacke auf die Nerven.


Warum ihr das Negieren der abstrusen Theorien von van Deelings Ehefrau Renate (Johanna Liebeneiner, Klassen-Kampf) und dem Planetariumsleiter Dr. Kluge (Adolf Laimböck, Der Präsident) so eine Herzensangelegenheit ist, will nie wirklich einleuchten.

Erfreulicherweise nimmt sich der 350. Tatort aber selten ernst, so dass sogar die unter Tatort-Fans leidenschaftlich diskutierte, äußerst umstrittene Schlussszene, in der tatsächlich ein als Wasserturm (!) getarntes Raumschiff (!!) vor Odenthals Augen ins Weltall (!!!) entschwebt, weitaus weniger negativ ins Gewicht fällt als man angesichts des hohen Absurditätsgrads vermuten sollte. Zum Zeitpunkt des UFO-Starts ist die Geschichte längst zu Ende erzählt, der Fall geklärt, der Täter überführt – da darf man die fliegende Untertasse eher als kleines Augenzwinkern vor dem Abspann verstehen. 

Deutlich mehr Anlass zur Kritik gibt der aufwendig arrangierte Showdown, bei dem Odenthal und ihr Kollege Mario Kopper (Andreas Hoppe), der nach Der kalte Tod zum zweiten Mal in der Rheinstadt ermittelt, dem Mörder mithilfe zweier engagierter Radioreporter (gespielt von den damaligen Wochenshow-Comedystars Anke Engelke und Ingolf Lück) eine Falle stellen. Dieser wirkt zu konstruiert und wird zudem für penetrante Eigenwerbung des Radiosenders SWF 3 missbraucht, der natürlich Wert auf Qualitätsjournalismus legt und "kein Lokalsender" (Engelke) sein möchte. 

Abgesehen vom UFO-Finale und einer grotesk-trashigen Traumsequenz gibt es übrigens noch eine dritte bemerkenswerte Szene, die vor Selbstironie trieft und zweifellos die gelungenste des ansonsten äußert durchwachsenen Tatorts darstellt: Es ist der köstliche Dialog zwischen dem schwerreichen Verleger Axel von Saalfeld (Walter Gontermann, Willkommen in Köln) und seinem Butler Olaf.


VON SAALFELD:
Was gibt es heute im Fernsehen, Olaf?

BUTLER OLAF:
Einen Tatort, Herr von Saalfeld. Aber erst um elf.

VON SAALFELD:
Welcher Kommissar?

BUTLER OLAF:
Ich glaube, es ist eine Frau.

VON SAALFELD:
Hm. 
(winkt desinteressiert ab)


Bewertung: 4/10

Die Traumsequenz: Dietmar Schönherr wird zum Alien