Fette Krieger

Folge: 474 | 15.07.2001 | Sender: SWR | Regie: Dominik Reding
Bild: SWR
So war der Tatort:

Um direkt im Jargon zu bleiben: unglaublich wack.

Fette Krieger ist nicht nur der Titel des 23. Einsatzes von Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), sondern auch das gleichnamige Rap-Duo, bestehend aus MC Fett (Bernd Gnann, Im Abseits) und DJ Krieger (Harris), um das sich in der Ludwigshafener Hip Hop-Szene (es gibt sie offenbar wirklich) alles dreht.

Der SWR, spürbar um hohe Authentizität bemüht, lässt sich im Sinne der Annäherung an die Jugend sogar darauf ein, penetrant das Logo des früheren Musiksenders VIVA einzublenden und dessen ehemaliges Rap-Magazin Mixery Raw Deluxe beim Namen zu nennen.

Ansonsten hat der Sender für diesen brutal schwachen Krimi so ziemlich alles zusammengetrommelt, was den Deutschrap-Karren nach dem Boom Ende der 90er Jahre nach der Jahrtausendwende vor die Wand gefahren hat: Neben MC Rene und dem späte noch halbwegs erfolgreichen Party-Rapper Harris sind unter anderem der später wegen eines Hitlergrußes aus dem Dschungelcamp geflogene DJ Tomekk in Nebenrollen zu sehen.

Die drei teilen nicht nur die gemeinsamen Rap-Wurzeln, sondern auch das Fehlen von jeglichem schauspielerischen Talent, das sich vor allem beim mit reichlich Kamerapräsenz gesegneten Harris a.k.a. DJ Krieger offenbart. MC Rene hingegen rappt gemeinsam mit Harris Na wie geht's euch, den vor allem textlich dünnen Song zum Film – der begnadete MC Fett, angeblich schnellster Freestyler aller Zeiten, war wohl gerade vor dem Spiegel mit sich selbst beschäftigt.

Eine glaubwürdige Skizzierung des Rap-Milieus findet im 474. Tatort zu keinem Zeitpunkt statt, denn das Autorenduo um Peter Lennartz und Dominik Reding, der auch Regie führt, beschränkt sich auf das Abarbeiten müdester Klischees. Rapper nehmen Drogen, Rapper tragen Waffen, Rappern geht es immer um die Liebe zur Musik – es sei denn, der schmierige Vorzeige-Plattenproduzent Thilo (Klaus Schreiber, Die Frau im Zug) hat ein Wörtchen mitzureden.

Wie erschreckend hanebüchen und konstruiert die Geschichte ausfällt, in der die von der sich öffentlich zu ihrer Homosexualität bekennenden Ulrike Folkerts verkörperte Odenthal mit einer Nacktszene und einem harmlosen Frauenkuss für Aufsehen sorgte, zeigt sich spätestens bei der jederzeit vorhersehbaren Auflösung: Die führt den ohnehin schon vollkommen überzeichneten, einleitenden Auftritt von MC Fett in einem vollbesetzten Club endgültig ad absurdum.

Da passt es ins Bild, dass "Background-Sängerin" Mona (Sandra Borgmann, Odins Rache) beim Singen selten den Ton und beim Rappen nie den Takt trifft, der hochinteressiert lauschenden Odenthal ("Hip Hop hör ich ganz gerne, so zum Abspülen, oder Aufräumen.") aber fachmännisch die Hip-Hop-Kultur erklärt. Noch Fragen?


MONA:
Hip Hop ist schön – also man kann richtig darauf tanzen und so. Das macht echt Spaß.


Bewertung: 1/10

"Ich hab 'nen Kater, der heißt Psycho!"


Der lange Arm des Zufalls

Folge: 473 | 8. Juli 2001 | Sender: SFB | Regie: Ralph Bohn
Bild: Pressebilderdienst Kindermann/ARD
So war der Tatort:

Zufällig. Oder vielleicht doch nicht? 

Der arbeitslose Nico Durow (Rainer Strecker, Brandwunden) überfällt in der hochspannenden Auftaktsequenz ausgerechnet an dem Tag einen Geldtransporter, an dem der amerikanische Pelzhändler Peter Forster (Jochen Horst) 3,1 Millionen Mark in bar zu einer Bankfiliale liefern lässt, in der seine Ehefrau Jennifer (Claudia Michelsen, Das Dorf) gerade am Geldautomaten steht. Vor der Tür wartet zudem Foster-Töchterchen Maike (Leoni Benice Baeßler) im Wagen, der Zündschlüssel steckt. Der Überfall geht schief, Durow erschießt den Sicherheitsmann und flieht ausgerechnet im Auto der Frau, deren Mann er gerade um einen siebenstelligen Betrag erleichtern wollte. Auf dem Rücksitz: die Tochter. 

Alles nur Zufall? 

Man könnte fast meinen, Drehbuchautor Lienhard Wawrzyn (Der Duft des Geldes) hätte am ebenfalls sehr auf dem Zufallsprinzip basierenden Skript zur Vorgängerfolge Berliner Bärchen, in der Hauptkommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) sein Debüt an der Seite von Till Ritter (Dominic Raacke) feierte, Gefallen gefunden und diesmal die Flucht nach vorn angetreten: Wenn das Drehbuch schon konstruiert ist, dann machen wir das ganze einfach zum Motto. 

Leider sind es aber vor allem die weniger mit dem Mord zusammenhängenden Zufälle, die die Geschichte über weite Strecken ziemlich hanebüchen wirken lassen: Allein die Tatsache, dass Jennifer Foster mit Tochter Maike zu einem Kindergeburtstag fährt und das aufgeweckte Mädchen dabei zufällig ihren seelenruhig durch Berlin spazierenden Spontan-Entführer am Straßenrand wiederentdeckt, kommt in der Millionen-Metropole der Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto gleich.

Überhaupt scheint der flüchtige Übeltäter keinen nennenswerten Gedanken daran zu verschwenden, von der Polizei aufgegriffen zu werden: Durow, der bei der Tat einen ledernen Boxhelm trägt, geht im Anschluss wie selbstverständlich in der Boxhalle von Axel Schulz (s. Bild) trainieren und setzt sich tagsüber unbehelligt in seine Stammkneipe. 

Ritter und Stark, die diesmal fast im Zehn-Minuten-Takt von Assistent Lutz Weber (Ernst-Georg Schwill) Kaffee gereicht bekommen, scheinen sich in Der lange Arm des Zufalls aber ohnehin nur am Rande für die Ergreifung des Täters zu interessieren: Ritter versucht, in funkelnden Las Vegas-Hemden bei der illegal in Deutschland arbeitenden Marina Kouptsowa (Valentina Sauca) zu landen, während der alleinerziehende Stark seinen Sohn bei einer Freundin einquartiert und geduldig mit der fantatrinkenden Maike Phantombilder puzzlet. 

Die durchlebt in ihrem Elternhaus zwar nächtliche Todesängste und steht im Brennpunkt eines transatlantischen Familiendramas, versteckt sich aber abgebrüht in Mülltonnen, statt einfach mal ein Tränchen zu verdrücken. Das schont zumindest das Nervenkostüm des Zuschauers. 

Anders verhält es sich mit Pelzhändler Foster: Jochen Horst permanent zu Ami-Akzent und englischen Phrasen zu nötigen, nervt schon bei dessen erstem Auftritt und macht den 473. Tatort zur unnötig bilingualen Angelegenheit. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. 

So bleibt außer der von Regisseur Ralph Bohn (Eine ehrliche Haut) hervorragend in Szene gesetzten Auftaktsequenz, den mehr als eigenwilligen Till-Ritter-Outfits und einem granatenschlecht schauspielernden Axel Schulz am Ende wenig Sehenswertes in Erinnerung.


SCHULZ:
Was wollt ihr beede denn? Probetraining sicherlich nich, oder?


Bewertung: 4/10