Heimspiel

Folge: 559 | 29. Februar 2004 | Sender: NDR | Regie: Thomas Jauch
Bild: NDR/Marion von der Mehden
So war der Tatort:

Begegnungsreich. 

Heimspiel führt LKA-Hauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) nämlich zum ersten Mal in ihre Heimatstadt Lüneburg – in der sie nicht nur feststellen muss, dass ihre Mutter Annemarie (Kathrin Ackermann) ihr ehemaliges Kinderzimmer leergeräumt und das Interieur an die Nachbarskinder weitergereicht hat, sondern auch längst vergessene alte Schulfreunde und verflossene Liebhaber wiedertrifft. 

Während sie bei ihren Ermittlungen in den heiligen Hallen des Pharmakonzerns Gerlitz den Dinner-Einladungen des hartnäckigen Verehrers und Chefbuchhalters ("Lotte! Lotte! Lotte!") energisch widersteht, scheint Sicherheitschef Rolf Jacobi (Heikko Deutschmann, Eine ehrliche Haut) ihre Gefühle neu entflammen zu lassen – doch Heimkehrerin Lindholm zeigt sich verbittert, weil der gut aussehende Ex-Lover einst ohne Entschuldigung eine Verabredung platzen ließ. 

Der 559. Tatort steht damit exemplarisch für viele weitere Folgen aus Niedersachsen, in dem die blonde Hauptkommissarin reichlich Nebenkriegsschauplätze beackert und das Publikum ausgiebig an ihrem Privatleben teilhaben lässt. Da darf natürlich auch Mitbewohner Martin Felser (Ingo Naujoks) nicht fehlen: Der schwärmt von Mutter Lindholms Kochkünsten und hat diesmal die asiatische Schönheit Xu Jing bei sich einquartiert, die ihn auf eine Reise nach Hongkong vorbereiten soll. Dass der treue Martin in der eigenen WG auf der Couch übernachtet, während die langhaarige Sexbombe in seinem Bett schläft und seine Oberhemden trägt, versteht sich von selbst: Naujoks mimt weiterhin den ewigen Junggesellen, der beim Start des Flugzeugs einen vermeintlichen Herzanfall erleidet und noch auf dem Flughafen Hannover ans EKG angeschlossen wird.

Für den Zuschauer besteht die Gefahr einer Herzattacke weniger: Lindholms vierter Tatort-Einsatz, der trotz des sportlichen Krimititels mit Leibesübungen nicht das Geringste zu tun hat, treibt dem Publikum selten Schweißperlen auf die Stirn. Das liegt aber weniger daran, dass die obligatorische Auftaktleiche fehlt und somit kein Mörder gefasst werden muss, sondern vielmehr daran, dass Orkun Ertener (Väter) sein Drehbuch hoffnungslos mit privaten Störfeuern überfrachtet und jegliches Aufkommen von Spannung im Keim erstickt. 

Nach der von Regisseur Thomas Jauch (Alter Ego) durchaus flott inszenierten Auftaktsequenz, in der sich das Auto von Unternehmensleiter Klaus Gerlitz (Ernst Stötzner, Der schwarze Troll) und seinem Chauffeur mehrfach überschlägt, herrscht in Heimspiel gut eine Stunde Leerlauf: Revierstreitigkeiten hier, politische Aktivisten dort, alles ganz nett anzuschauen, aber selten wirklich fesselnd. Einzig die clever arrangierte Sauna-Entführung von Gerlitz bringt Dynamik in die Geschichte und führt zudem zu einer amüsanten Verfolgungsjagd, bei der sich zwei halbnackte Sicherheitsmänner in ein Parkhaus verirren und ihre bombenfest sitzenden Handtücher offenbar um die eigenen Hüften getackert haben. 

Und dann ist da noch die kettenrauchende Vor-Ort-Kollegin Belinda Uzman (Catrin Striebeck, Klassentreffen), die sich schon bei ihrem ersten Einsatz an der Seite von Lindholm (es folgen noch drei weitere in Atemnot, Das namenlose Mädchen und Salzleiche) für den Titel "unsympathischste Co-Ermittlerin der Tatort-Geschichte" bewirbt: Heimspiel hat viele Schwächen und ganz wenig Stärken. 

Immerhin: Zum großen Showdown gibt es eine Fahrt mit der legendären Holzachterbahn im nahegelegenen Heidepark Soltau. Schade, dass der Rest des Krimis nicht annähernd so rasant ausfällt.

Bewertung: 3/10

Waidmanns Heil

Folge: 557 | 1. Februar 2004 | Sender: MDR | Regie: Peter F. Bringmann
Bild: MDR/Hardy Spitz

So war der Tatort:


Jägerlateinisch. 

Hauptkommissar Bruno Ehrlicher (Peter Sodann) und sein vornamenloser Kollege Kain (Bernd Michael Lade) dürfen bei ihrem 32. gemeinsamen Einsatz nämlich raus aufs Land – genauer gesagt in einen Wald, in dem neben einigen abgeknallten Enten plötzlich auch ein mausetoter Jäger im Schilf liegt. 

Der Clou: Ein Dutzend Jägerkollegen ist in Waidmanns Heil – der Krimititel deutet es bereits an – gemeinsam auf die Jagd gegangen, alle mit ähnlichen Schrotflinten in der Hand, und viele von ihnen bringen ein plausibles Mordmotiv mit. Tolle Ausgangslage, denn so kann im Grunde jeder die tödlichen Schüsse abgefeuert haben – zumal angesichts der identischen Outfits in grüner Jagdmontur und orangefarbener Warnweste auch eine Verwechslung des Opfers nicht ausgeschlossen ist. 

Dass Ehrlicher und Kain schon bald reichlich Jägerlatein zu hören bekommen und der Zuschauer ganz nebenbei viel Lehrreiches über den Jagdsport erfährt, versteht sich von selbst: "Einen kapitalen Bock schießen" - Drehbuchautor Andreas Pflüger (Falsches Leben) pfeffert dem Zuschauer Redensarten, die vor allem von Fußballkommentatoren häufig zweckentfremdet werden, im 557. Tatort wie Schrotkugeln um die Ohren. 

Das gestaltet sich vor allem für das weniger jagdsportaffine Publikum interessant und hätte den müde ausgearbeiteten Nebenhandlungsstrang, in dem Kain mal eben seinen Jagdschein nachholen möchte, gar nicht nötig gemacht. Über den geheimnisumwitterten Vornamen des Kommissars verrät Ehrlicher im 557. Tatort übrigens ein interessantes Detail:


EHRLICHER:
Ich hab dich noch nie nach deinem Vornamen gefragt, aber der reimt sich ja auf...

KAIN: 
Spar dir den Witz, ich kenn ihn seit der Schulzeit.


Worauf mag er sich wohl reimen, der Vorname des Leipziger Ermittlers? Der Phantasie des Zuschauers sind keine Grenzen gesetzt. 

Auch bei der Frage nach Mörder und Motiv lassen Drehbuchautor Pflüger und Regisseur Peter F. Bringmann (Der dunkle Fleck) ihr Publikum bis zum Schluss miträtseln: Deutet zunächst noch alles auf den bankrotten Jäger Gernot Dietz (gewohnt stark: Christian Redl, Tödliche Ermittlungen) hin, liefert das Drehbuch in Waidmanns Heil nach und nach zahlreiche ernstzunehmende Alternativen, weil die gleichermaßen umtriebige wie vollbusige Simone Körner (nackt: Isabella Jantz) gleich mehrere Männer zur Verzweiflung treibt, plötzlich eine zweite Leiche zu beklagen ist und Karsten Dietz (unauffällig: Thomas Sarbacher, Skalpell) seinem hitzköpfigen Bruder kurzerhand Ehefrau Marion (eher schwach: Antje Schmidt, Manila) ausspannt. 

Zeit für gute deutsche Küche bei Frederike (Annekathrin Bürger) finden die ersten ostdeutschen Kommissare der Tatort-Geschichte natürlich trotzdem – und Ehrlicher sogar einen freien Abend für einen gemeinsamen Konzertbesuch mit der Gastwirtin. Einfach köstlich, wie sein ungeduldig klingelndes Handy harmonisch in die eher gewöhnungsbedürftigen Klänge auf der Bühne einstimmt.

Bewertung: 8/10