Feuerteufel

Folge: 872 | 28. April 2013 | Sender: NDR | Regie: Özgur Yildirim
Bild: NDR/Christine Schröder
So war der Tatort:

Brandheiß.

Feuerteufel heißt er, der erste Tatort mit "WWM" in der Hauptrolle, prominent besetzt und echt norddeutsch ist er, doch vor allem ist er eines: richtig gut.

Wenn der Klingelton von Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring, Todesschütze) der bei den Ermittlungen von seiner Hospitantin und zukünftigen Dauerkollegin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller, Bluthochzeit) unterstützt wird, schon das Nervigste am Krimi ist, dann spricht das eindeutig für Regisseur Özgur Yildirim und Drehbuchautor Markus Busch (Rabenherz).

Beide leisten erstklassige Arbeit und verheben sich im Gegensatz zu vielen anderen Tatort-Machern nicht an der Charakterzeichnung  junger Straftäter – man denke nur an mittelschwere Tatort-Katastrophen der jüngeren Vergangenheit, die früher (Der Wald steht schwarz und schweiget) oder später (Dinge, die noch zu tun sind) zum Feuerwerk der unfreiwilligen Komik mutierten. Yildirim skizziert die Hamburger Problemjugend, die zu scheppernden Beats von Dr. Dre und Pharrell Williams auf Körbejagd geht, um Längen glaubwürdiger und scheut sich auch nicht, blutsprudelnde Nasen und brutale Messerstechereien mit der Kamera einzufangen.

Schon der Auftakt ist spannend, und die Feuersequenz im Garten sogar hochspannend: Da ist es locker zu verschmerzen, dass die Geschichte ansonsten nicht immer fesselt. Das Drehbuch nimmt sich viel Zeit für die Einführung der neuen Ermittler und sogar für einen alkoholschwangeren Männerabend mit Falkes Ex-Partner Jan Katz (Sebastian Schipper) – in Sachen Humor der klare Höhepunkt des Films.


KATZ:
Ich benenn' mein Kind nach dir, Thorsten - egal ob's ein Junge oder Mädchen wird!


Yildirim orientiert sich stilistisch an seinem rauen Gangsterdrama Chiko, das 2009 den Deutschen Filmpreis gewann, peppt seinen Tatort aber zugleich mit köstlichen One-Linern und nächtlichen Monologen über Hundefutter auf.

Und auch wenn unter dem Strich das eine oder andere "Digger" zuviel eingestreut wird: Der markante Hamburger Zungenschlag Falkes und vieler Nebenfiguren trägt einen entscheidenden Teil dazu bei, dass Feuerteufel dank des hanseatischen Lokalkolorits unheimlich authentisch wirkt.

Milchjunkie Falke, der praktisch eine Tüte nach der nächsten leert, skizzieren Yildirim und Busch als sympathischen Straßenbullen mit Ecken und Kanten, der sich weder von Partnerin Lorenz noch von seinem Vorgesetzten Bendixen (Achim Buch, von 2004-2007 im Ludwigshafener Tatort als Pathologe zu sehen) ins Handwerk pfuschen lässt. Und es persönlich nimmt, wenn sich der beste Freund beruflich umorientiert.

Auch die Auflösung überzeugt: Sieht zunächst alles danach aus, als würden die Filmemacher im 872. Tatort mit dem gewohnten Whodunit-Prinzip brechen und den jungen Rowdie Ruben (David Berton) früh als Täter vorwegnehmen, schleicht sich mit zunehmender Spieldauer der Verdacht ein, dass alles weniger eindeutig ist, als es zunächst den Anschein hat.

So feiern Wotan Wilke Möhring und Petra Schmidt-Schaller in Feuerteufel trotz vergleichsweise flacher Spannungskurve ein gelungenes, äußerst unterhaltsames Debüt, dass das des Hamburger Kollegen Nick Tschiller (Til Schweiger), dem Falke in Willkommen in Hamburg bereits am Präsidiumspissoir begegnete, locker in den Schatten stellt.

"Das ham wir doch ganz gut gemacht, find ich", resümiert Falke abschließend: So ist es.

Bewertung: 8/10

Trautes Heim

Folge: 871 | 21. April 2013 | Sender: WDR | Regie: Christoph Schnee
Bild: WDR/Martin Menke
So war der Tatort:

Natürlich weit weniger traut, als es der Krimititel nahelegt.

Denn wenn der Tatort Trautes Heim heißt, dann ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass sich in der Rheinmetropole zwischenmenschliche Abgründe auftun und in den vier Wänden von Familie Sasse/Schäfer, die nach einer müde inszenierten Auftaktentführung um ihren achtjährigen Sohn Lukas (Nick Schuck) zittern muss, natürlich überhaupt nichts stimmt.

Bereits der vorherige Kölner Tatort Scheinwelten, der die Ehekrise von Staatsanwalt Wolfgang von Prinz (Christian Tasche) illustrierte, entpuppte sich eher als Drama denn als typischer Sonntagskrimi – und auch diesmal setzt das federführende Autorentrio um Roland Heep, Benjamin Hessler und Frank Koopmann weniger kriminalistische, als vielmehr emotionale Schwerpunkte.

Damit die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär), bekanntlich für die Mordkommission im Einsatz, überhaupt auf den Entführungsfall angesetzt werden, bedient sich das Drehbuch eines einfachen Kniffs: Der maskierte Kindesentführer ist praktischerweise zugleich ein Mörder, weil er auf der Flucht vom Tatort einen Motorradfahrer über den Haufen fährt.

Auch dieses Motiv ist nicht neu: Gut ein Jahr ist es her, dass Ballauf und Schenk in Keine Polizei ebenfalls einen Entführungsfall mit Auftaktleiche aufklären mussten. Innovation in der Domstadt? Fehlanzeige. 

Trautes Heim steht exemplarisch dafür, warum der Kölner Tatort seit Jahren schwächelt: Die Figuren harmonieren zwar nach wie vor prächtig, entwickeln sich aber kaum noch weiter. Vieles wirkt festgefahren, und wirklich gute Drehbücher gab es zuletzt – man denke an frühere Hochkaräter wie Willkommen in Köln, Manila oder Odins Rache – viel zu selten.

Auch dem am Reißbrett entworfenen 871. Tatort fehlt es an Mut zu Neuem und unverbrauchten Ideen, so dass das bemerkenswerte, wenn auch nicht wirklich glaubwürdige Doppelleben von Familienvater Roman Sasse (Barnaby Metschurat, Dinge, die noch zu tun sind) und die Alibi-Agentur, die ihm seit neun Jahren lückenlos den Rücken frei hält, der einzige halbwegs erfrischende Einfall bleibt. 

Die mehr (Sandra Borgmann, Fette Krieger) oder weniger (Lasse Myhr, Macht und Ohnmacht) gut aufgelegten Nebendarsteller, gestraft mit hölzernen Dialogzeilen, schluchzen und schreien zwar um die Wette, erdrücken das Publikum aber mit plakativem Spiel, statt zu einer bedrückenden Atmosphäre beizutragen. 

Ein paar düstere, langatmige Szenen mit dem entführten Steppke, die verpatzte Geldübergabe zu Füßen des Kölner Doms und nicht zuletzt Franziskas nervtötende Männerprobleme, die auf Biegen und Brechen noch im Plot untergebracht werden wollen: Nichts, was man im Tatort nicht schon deutlich besser gesehen hätte. 

Dass Tessa Mittelstaedt nach vierzehn Jahren genug von ihrer kaffeekochenden Sidekick-Rolle hat und im nächsten Kölner Tatort Franziska ihren Abschied feiert, lässt sich daher leicht nachvollziehen. Immerhin: Der WDR beschert ihr nicht nur einen würdigen Abgang, sondern findet mit Tobias Reisser (Patrick Abozen) auch einen Nachfolger, der endlich frischen Wind in das spürbar angestaubte Figurenkonstrukt bringt.

Bewertung: 4/10

Wer das Schweigen bricht

Folge: 870 | 14. April 2013 | Sender: HR | Regie: Edward Berger
Bild: HR/Bettina Müller
So war der Tatort:

Abgeschottet. 

Der fünfte und letzte gemeinsame Einsatz von Frank Steier (Joachim Król) und Conny Mey (Nina Kunzendorf) spielt nämlich zu großen Teilen in einem hermetisch abgeriegelten Jugendknast, verweist mit Folterung und Isolationshaft auf bewegende Gefängnisdramen wie Murder in the First und macht mit dem Hakenkreuz-Tattoo des Insassen Jürgen Schuch (Andreas Helgi Schmid) auch Tony Kayes Meisterwerk American History X seine Aufwartung. 

Doch nicht nur der Schauplatz von Wer das Schweigen bricht schottet sich ab: Steier ("Sich mit dir unterhalten ist, wie wenn ein Einarmiger in die Hände klatscht."), der im Gegensatz zu Mordkommissionsleiter Walter Hillinger (Gerd Wameling) erst nach fünfzig Minuten vom Abschied seiner kessen Kollegin erfährt, lässt als emotionaler Krüppel lange keine Gefühle zu und offenbart seine weiche Seite zu spät: Mey hat schon als Ausbilderin an einer Kieler Polizeischule unterschrieben. 

Der 870. Tatort ist ein hochemotionaler, aber nie aufdringlicher Krimi, denn die Filmemacher nehmen sich viel Zeit für die Figuren, deren ungewöhnliches Verhältnis die Regie von Edward Berger (Das letzte Rennen) ohne falsche Kompromisse abrundet.

Mit der herrlich direkten Hauptkommissarin quittiert am Ende eine der bemerkenswertesten Figuren der jüngeren Tatort-Geschichte in würdigem Rahmen den Dienst – und vielleicht ist es genau der richtige Zeitpunkt zum Aufhören. Viel Entwicklungspotenzial brachte Kunzendorfs rotzfreche Tussi-Figur nie mit, und so hört die beliebte Schauspielerin wahrscheinlich in dem Moment auf, in dem es am schönsten ist. Ihre kesse Lippe hat Mey nämlich auch bei ihrem fünften Auftritt nicht eingebüßt.


MEY:
Würd' mir mal'n anderes Hemd anziehen - das wird am zweiten Tag nicht frischer! 


Wer das Schweigen bricht ist ein starker, fesselnder Knastkrimi, der zweitbeste mit Steier und Mey nach Der Tote im Nachtzug. Einmal mehr adaptiert Fernsehpreis-Gewinner Lars Kraume (Eine bessere Welt), der auch das Skript zu deren ersten beiden Folgen schrieb, einen realen Fall des Analytikers Axel Petermann und erzählt die Geschichte seines ungleichen Ermittlerduos schnörkellos zu Ende, ohne den Kriminalfall um den ermordeten Jugendstraftäter Mustafa Zeydan (Atheer Adel) zu vernachlässigen.

Mit Jürgen Rißmann (Im Namen des Vaters) und Sylvester Groth, der zuletzt im Bodensee-Tatort Die schöne Mona ist tot den Mörder mimte und auch in Schwarzer Afghane zu den Verdächtigen gehörte, zählen zwei tatorterprobte, bekannte TV-Gesichter zum starken Cast – normalerweise ein sicheres Indiz dafür, dass es sich bei einem der beiden um den Täter handelt.

Die Auflösung gestaltet sich aber vergleichsweise knifflig und führt zu einer überraschenden Wendung, die den Ausgangspunkt für eine flotte, wenn auch nicht ganz glaubwürdige Verfolgungsjagd durch Mainhattan und einen Showdown mit Geiselnahme bildet.

Wer das Schweigen bricht bricht den Mikrokosmos Jugendknast hier schließlich doch noch gekonnt auf und entlässt Conny Mey am Ende erfolgreich und mit Blumen aus der Mordkommission. Dass Steier ihren Abschied nicht mal persönlich miterlebt, steht symbolisch für das, was die beiden Ermittler trotz aller Ungleichheit doch irgendwie verband: grobes Auftreten und eine harte Schale, unter der sich unausgesprochene Empfindungen und Verletzlichkeit verbergen.

Bewertung: 8/10

Eine Handvoll Paradies

Folge: 869 | 7. April 2013 | Sender: SR | Regie: Hannu Salonen
Bild: SR/Manuela Meyer
So war der Tatort:

Ärmer – und zwar um seine einzige halbwegs amüsante Figur. 

Kein gutes Haar ließen wir im Januar 2013 an Melinda, dem umstrittenen Debüt der neuen Saarbrücker Hauptkommissare Jens Stellbrink (Devid Striesow) und Lisa Marx (Elisabeth Brück), und auch sonst fiel das Medienecho zum Klamaukfeuerwerk aus dem Saarland vernichtend aus. 

Einen kleinen Lichtblick gab es aber doch: Margot Müller (Silvia Bervingas), die Stellbrink und seiner jungen Begleiterin Melinda vorübergehend Unterschlupf gewährte, sorgte als kauzige Krimi-Expertin mit Eheproblemen wenigstens für ein paar halbwegs amüsante Dialogzeilen. Im Nachfolger ist der Publikumsliebling leider wieder Geschichte: Eine Handvoll Paradies wurde direkt im Anschluss an Melinda gedreht, weshalb es auch sonst für eine Kurskorrektur zu spät ist. 

Drehbuchautor Felice Goetze und Regisseur Hannu Salonen, der mit Verschleppt den spannendsten Tatort des Jahres 2012 inszenierte, setzen den zweifellos mutigen Weg des Saarländischen Rundfunks daher auch konsequent fort: Die Täterfrage ist zweitrangig, Spannung im Grunde keine auszumachen und alles einer hanebüchenen One-Man-Show der rollerfahrenden Knalltüte Stellbrink untergeordnet.

Dieses humorvolle Grundkonzept, das zwischenzeitlich mit einer grotesken Stellbrinkschen Alptraumsequenz zum Fremdschämen einlädt, wäre zu verkraften, wenn Eine Handvoll Paradies zumindest eine Handvoll guter Gags im Petto hätte – doch sorgfältig vorbereitete Pointen, freche Situationskomik oder beißender Dialogwitz sind über die komplette Spielzeit schlichtweg nicht vorhanden.


STELLBRINK:
Sag mal, ganz ehrlich: Wie hast du uns gefunden?


MARX:
Dein Roller hatte ein Leck im Tank.


Lebt der populäre Münsteraner Tatort trotz unverkennbarer Verschleißerscheinungen und dem einen oder anderen Fehltritt (vgl. Das Wunder von Wolbeck) noch immer passabel von seinem köstlichen Figurenkonzept, funktioniert dieses in Saarbrücken überhaupt nicht: Außer Stellbrink wird keiner der Ermittler mit charakterlichem Tiefgang unterfüttert.

Lara-Croft-Verschnitt Marx stagniert als austauschbares Anhängsel, und Staatsanwältin Dubois (Sandra Steinbach), die schon nach ihrer Feuertaufe in Melinda in den sozialen Netzwerken übel abgewatscht wurde, nervt auch bei ihrem zweiten Auftritt in jeder Szene.

Der konstruierte Konflikt zwischen Kommissaren und Staatsanwaltschaft verpufft zudem als letztlich bedeutungsloses Standardmotiv, weil Crazy Frog-Verschnitt Stellbrink den mit Sonnenbrillen und Kutten ausgestatteten Bilderbuch-Bikern ohnehin ständig allein auf seinem Roller hinterherflitzt.

Claude-Oliver Rudolph (Bienzle und der Champion) wird nach einem charismatischem Kurzauftritt völlig verschenkt und hätte dem 869. Tatort als Gangleader vermutlich besser zu Gesicht gestanden als der zweifellos engagierte Thomas Kautenburger (Im Namen des Vaters), der vergeblich gegen seinen bekloppten Spitznamen "Mutti" anspielt und auf seinem heißen Ofen so respekteinflößend wirkt wie ein Vorschüler auf einem Fahrrad mit Stützrädern. Auch das Abarbeiten müder Biker-Klischees (vgl. die ähnlich gelagerten Wegwerfmädchen und Das goldene Band) ist ärgerlich.

Blieb Melinda das zweifelhafte Prädikat Totalausfall und die Aufnahme in die Tops & Flops dank Margot Müller noch erspart, verdient es sich Eine Handvoll Paradies von Minute 1 bis 90 – und es dauert bis zum Müller-Comeback in Adams Alptraum, ehe der Striesow-Tatort erstmalig sehenswert ist.

Bewertung: 1/10

Macht und Ohnmacht

Folge: 868 | 1. April 2013 | Sender: BR | Regie: Thomas Stiller
Bild: BR/Hagen Keller
So war der Tatort:

Wiedersehensfreudig – und das trotz Abstinenz von Sidekick Gisbert Engelhardt (Fabian Hinrichs).

Viele Fans des Münchner Tatorts hatten nach der herausragenden Folge Der tiefe Schlaf zwar auf ein Comeback des Publikumslieblings gehofft, doch der Bayerische Rundfunk erteilte allen Hoffnungen auf eine wundersame Wiederauferstehung frühzeitig eine Absage. Der sympathische Technikfreak, dem sogar eine eigene Facebook-Seite gewidmet wurde, ist in Macht und Ohnmacht Geschichte.

Dafür feiert im Nachfolger ein anderer Co-Ermittler sein Comeback: Über drei Dutzend Mal ermittelte Carlo Menzinger (Michael Fitz) an der Seite der Münchener Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), bevor er sich 2007 in Der Traum von der Au verabschiedete und den Kommissaren in Kleine Herzen wenige Monate später eine Ansichtskarte aus Thailand schickte.

Auch der Ex-Oberkommissar kehrt jedoch nicht dauerhaft ins Münchener Ensemble zurück: Fernab der bayerischen Heimat hat sich Carlo eine neue Existenz als Hotelier aufgebaut und düst nach neunzig handlungsdichten Tatort-Minuten wieder ab nach Ostasien. Bis dahin leistet der Rückkehrer wertvolle Helferdienste, weil er ein enges Verhältnis zum Hauptverdächtigen Matteo Lechner (stark: Emilio de Marchi, Gefährliche Zeugin) pflegt und Batic und Leitmayr in der ersten Filmhälfte meist eine Nasenlänge voraus ist.

Das bringt frischen Wind ins Polizeipräsidium und funktioniert über weite Strecken gut: Erst auf der Zielgeraden schießt Drehbuchautorin Dinah Marte Golch, die für ihr außergewöhnliches Skript zum Münchner Meilenstein Nie wieder frei sein den Grimme-Preis erhielt, ein wenig über das Ziel hinaus, als Carlo mit nur einem Anruf das Passwort für einen Email-Account in Erfahrung bringt und damit bei der Täterfrage Licht ins Dunkel bringt.

Ansonsten integriert Golch den Rückkehrer clever in den Plot und eröffnet dem Publikum dadurch eine spannende Zusatzperspektive: Statt einen bedeutungslosen Cameo-Auftritt abzuliefern, reibt sich Carlo in vorderster Front auf und muss schon bald einsehen, dass sein Wunschtrauzeuge Lechner weder ein Vorzeigebeamter, noch der alte Freund ist, den er einst im kalten Deutschland zurückließ.

TV-Regisseur Thomas Stiller (Die Blume des Bösen), der zuletzt den emotionalen Münchner Tatort Der traurige König realisierte, setzt das Geschehen atmosphärisch dicht in Szene und stellt der Auftaktleiche zudem eine fünfzehnminütige Einleitung voran, in der gleich mehrere männliche Geschlechtsteile nackt durch die Gegend baumeln.

Dieser Aufbruch der gewohnten Tatort-Strukturen  erweist sich als Antriebsfeder für die späteren Spannungen, bei denen kritisch die Fragen von Schuld, Gerechtigkeit und Selbstjustiz beleuchtet werden – und diesmal auch die psychische Belastungen, der die oft zwischen Macht und Ohnmacht pendelnden Polizeibeamten im Berufsalltag ausgesetzt sind. Dass die Auflösung am Ende nicht wirklich überrascht, liegt auch daran, dass einer der beiden Hauptverdächtigen pünktlich zur vollen Tatort-Stunde das Zeitliche segnet.

Dennoch überzeugt der 868. Tatort als stimmiges und gut besetztes Krimidrama mit Tiefgang, in dem einzig der ansonsten eigentlich immer überzeugende Sascha Alexander Gersak (Die Heilige) schauspielerisch ein wenig abfällt.

Bewertung: 7/10