Borowski und der Engel

Folge: 892 | 29. Dezember 2013 | Sender: NDR | Regie: Alexander Kleinert
Bild: NDR/Christine Schröder
So war der Tatort:

Krönend – denn der letzte Tatort des Jahres 2013, in dem es wie immer Höhen, Tiefen und viel Mittelmaß gab, ist zugleich der beste.

Das ist kein Zufall: Wenn Drehbuchautor Sascha Arango – der unter anderem die hochkarätigen Skripts zum Kopper-Debüt Der kalte Tod oder den Kieler Folgen Borowski und das Mädchen im Moor und Borowski und die Frau am Fenster schrieb – am Ruder sitzt, dann kann fast nichts mehr schief gehen. Erneut konzipiert der Ausnahmeautor eine extrem reizvolle Geschichte, die mit mehreren eisernen Tatort-Prinzipien bricht, gekonnt mit ihnen spielt und von der ersten bis zur letzten Minute an den Fernsehsessel fesselt.

Dabei verzichtet Arango in Borowski und der Engel einmal mehr auf das gewohnte Whodunit-Prinzip: Wenngleich die vereinsamte Altenpflegerin Sabrina Dobisch (Lavinia Wilson) eigentlich nur einen Katzenunfall provozieren und als vermeintlich Trauernde die tröstenden Worte ihrer Mitmenschen ernten will, wird sie durch das Ausweichmanöver der bedauernswerten Autofahrerin Doris Ackermann (Leslie Malton, Teufel im Leib) plötzlich zur indirekten Mörderin. Ackermann rast stattdessen in die Fensterfront eines Blumengeschäfts und erwischt den Jungpianisten und Frauenschwarm Christian von Meeren (Martin Bruchmann) tödlich.

Kein klassischer Auftaktmord, kein echtes Motiv, kein Miträtseln bei der Täterfrage – und doch ist Borowski und der Engel so packend wie kaum eine zweite Folge im Jahr 2013. Denn ist die Frage, ob die Kieler Hauptkommissare Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibell Kekilli) der weitermordenden Dobisch in bester Columbo-Manier am Ende das Handwerk legen können, nicht viel fesselnder als die normalerweise gestellte Frage nach Täter oder Täterin?

Bis zur Schlussminute bleibt offen, ob Borowski und Brandt den perfiden Todesengel hinter Gitter bringen: Dass eine Leiche verschwunden bleibt und Dobisch vielleicht sogar für ein Verbrechen büßen muss, das sie gar nicht begangen hat, ist die Krönung der clever arrangierten und bis ins Detail durchdachten Geschichte.

Allein der groteske Wendepunkt, bei dem von Meeren-Freund André Rosenthal (Bruno Cathomas, debütiert 2017 in Land in dieser Zeit als Kripochef Fosco Cariddi im Frankfurter Tatort) sich einen tödlichen Cocktail verabreicht, macht deutlich, dass der Tatort auch nach über 40 Jahren Mattscheibenpräsenz noch immer mit originellen Einfällen aufwartet – zumindest dann, wenn ein Autor wie Arango, der privat mit Milberg befreundet ist, vom federführenden Sender mit kreativen Freiheiten ausgestattet wird.

Der 892. Tatort lebt aber nicht nur von seinem erstklassigen Drehbuch, sondern auch von seinen glänzend aufgelegten Schauspielern, zu denen auch Sesamstraßenlegende Horst Janson und Victoria von Trauttmannsdorff (Schwindelfrei) zählen: Allein die formidabel aufspielende Lavinia Wilson (Falsches Leben) ist das Einschalten wert. Die Grimme-Preis-Trägerin brilliert in der Rolle als eiskalter Engel und wandelt sich binnen Sekunden von der bemitleidenswerten Einzelgängerin zum perfiden Täuschungsprofi. Die beste Szene gehört dennoch Kriminalrat Roland Schladitz (Thomas Kügeler): Der hantiert diesmal im Büro leichtsinnig mit einer Schusswaffe und ballert Brandt im Nebenzimmer fast vom Bürostuhl.

Neben solchen gröberen, aber vortrefflich zündenden Gags sind es auch die gewohnt subtil eingeflochtenen, humorvollen Zwischentöne, die Borowski und der Engel als Gesamtkomposition zu dem Tatort-Highlight des Jahres 2013 machen und zu diesem Zeitpunkt die Spitzenposition des Krimis aus der Fördestadt – der in den Jahren davor nie enttäuscht hat – in bemerkenswerter Manier zementieren. Hut ab!

Bewertung: 9/10

Die fette Hoppe

Folge: 891 | 26. Dezember 2013 | Sender: MDR | Regie: Franziska Meletzky
Bild: MDR/Andreas Wünschirs
So war der Tatort:

Kugelrund.

Die Weimarer Kriminalkommissarin Kira Dorn (Nora Tschirner) präsentiert in Die fette Hoppe nämlich neunzig Minuten lang ihren Babybauch – doch auch sonst ist das Debüt von Tschirner und ihrem Tatort-Partner Christian Ulmen, mit dem sie schon häufig auch für Kinoproduktionen vor der Kamera stand, eine durch und durch runde Sache.

Die Erwartungen an den im Vorfeld zunächst als einmaligen "Event-Tatort" angepriesenen Krimi, dessen Fortsetzung schnell beschlossene Sache war, hätten höher kaum ausfallen können: Das Ausstrahlungsdatum am 2. Weihnachtstag ist umkämpft wie kaum ein zweiter Termin im Jahr, die Besetzung der Hauptrollen prominent und Regisseurin Franziska Meletzky bereits mehrfach tatorterprobt (zuletzt inszenierte sie den Lindholm-Doppelpack Wegwerfmädchen und Das goldene Band).

Auch beim Drehbuch geht der MDR auf Nummer sicher: Murmel Clausen schrieb unter anderem das Skript zum Mega-Kinoerfolg Der Schuh des Manitu und sein Autorenkollege Andreas Pflüger arbeitet mit Die fette Hoppe bereits zum 18. Mal an einem Fadenkreuzkrimi mit.

Diese Maßnahmen zahlen sich aus: Trotz eines klassischen Fehlstarts, bei dem die hochschwangere Dorn ihrem vornamenlosen Kollegen Lessing im Schwitzkasten eines Geiselnehmers ein plump vom damals werdenden Vater und späteren ARD-Fußballexperten Mehmet Scholl abgekupfertes Zitat zum Besten gibt ("Mir ist völlig egal, was es wird. Hauptsache er ist gesund."), laufen Tschirner und Ulmen mit zunehmender Spieldauer zu Hochform auf und hauen sich die meist mehr, selten weniger amüsanten One-Liner fast im Minutentakt um die Ohren.


DORN:
Sie sollten doch bei der Leiche bleiben!

LESSING:
Joa. Die läuft doch nicht weg, Frau Dorn!


Der Tatort aus Münster lässt grüßen – doch während Thiel und Boerne als Figuren in die Jahre gekommen sind und immer seltener an die Klasse früherer Tage anknüpfen, sind die neuen Kollegen aus Weimar naturgemäß noch völlig unverbraucht.

Als besonders gelungener Coup erweist sich die Entscheidung der Filmemacher, dem Publikum zunächst zu verschweigen, dass Lessing und Dorn liiert sind und das Baby das gemeinsame der Kommissare ist – der verblüffende Paukenschlag im Mittelteil des Films ist ein wahrer Geniestrich und legt den Grundstein für weitere amüsante Folgen aus der Dichterstadt.

Mit einem Tatort der alten Schule hat das natürlich wenig zu tun: Die tiefgefrorene Leiche, die weitergereicht wird wie eine Schaufensterpuppe, finden Lessing und Dorn erst nach einer Stunde, Auflösung und Täterfrage sind zweitrangig und der auffallend ironische Kontrapunkt zum ernsten Rest der Krimireihe ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Dabei fügen sich auch Kriminalhauptkommissar Kurt Stich (Thorsten Merten, Der tote Chinese) und Kriminaltechniker Hans Bangen (Wolfgang Maria Bauer, Nie wieder frei sein) stimmig ein, wenngleich sie den Kinostars Tschirner und Ulmen erwartungsgemäß das Feld überlassen.

Wer Spannung sucht, wird in Weimar allerdings keine finden: Verfolgungsjagden absolvieren die Ermittler in der gemütlichen Kutsche des tatverdächtigen Caspar Bogdanski (Dominique Horwitz, Schatten), während im Motorraum des Dienstwagens tote Nager verwesen (Dorn: "Sieht mir nach 'nem klassischen Selbstmarder aus!"). Dennoch: Die fette Hoppe ist eine unterhaltsame und stellenweise brüllend komische Krimi-Persiflage, die den hohen Erwartungen trotz der flachen Spannungskurve gerecht wird und den Kollegen aus Münster den Fehdehandschuh hinwirft.

Bewertung: 7/10

Allmächtig

Folge: 890 | 22. Dezember 2013 | Sender: BR | Regie: Jochen Alexander Freydank
Bild: BR/hager moss film GmbH/Bernd Schuller
So war der Tatort:

Anklagend.

Denn Regisseur und Oscargewinner Jochen Alexander Freydank, der nach dem Kriegsheimkehrer-Krimi Heimatfront zum zweiten Mal für einen Tatort am Ruder sitzt, und die drei Drehbuchautoren Harald Göckeritz, Gerlinde Wolf und Edward Berger holen in Allmächtig zum großen Rundumschlag aus – doch nicht etwa gegen seichten ZDF-Schund wie Das Traumschiff oder gebührenfinanzierte ARD-Soaps wie Verbotene Liebe, sondern gegen Reality-Formate, die im Privatfernsehen des Jahres 2013 das Programm dominieren und vermeintlich realistische Einblicke in den Alltag bildungsferner Schichten gewähren. 

Böse Privatsender!

Ähnlich simpel und einseitig wie bei dieser pauschalen Anklage verfahren die Filmemacher bei ihrer Figurenzeichnung: Klischees und Schwarz-Weiß-Malerei, wohin man blickt. Es gibt die Guten – die bedauernswerten, bloßgestellten Opfer – und natürlich die Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl). Und es gibt das Böse, das sich in Allmächtig in einer einzigen Person, dem fleischgewordenen TV-Teufel Albert A. Anast (Alexander Schubert), konzentriert. 

Der arrogante und skrupellose Entertainer, der den Satan als Anagramm im Nachnamen trägt und in den Türcode seiner sündhaft teuer eingerichteten Wohnung die Zahlen "666" unterbringt, scheut für ein paar mehr Videoklicks im Netz keine moralischen Hindernisse, führt seine Mitmenschen reihenweise vor der Kamera vor und kann vom Zuschauer eigentlich nur abgrundtief verachtet werden. Dann ist er plötzlich verschwunden – und eines seiner Opfer tot.

Man muss kein großer Prophet sein, um zu erahnen, dass der selbsternannte Entertainer den Mord an der Messi-Finanzbeamtin Maria Kohlbeck (Katja Brenner), die Zuflucht bei Pfarrer Fruhmann (Ernst Stötzner, Heimspiel) und Pater Rufus (Albrecht Schuch) gesucht hatte, nicht begangen hat. Schnell ist die zweite Leiche gefunden – und wenn der Tatort Allmächtig heißt, dann ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass der Weg zur Auflösung der Täterfrage nur über Gesangsbuch und Weihwasser führt.

Batic und Leitmayr, die 2011 in Ein ganz normaler Fall bereits zu einem spannungsarmen Crashkurs in Sachen Judentum genötigt wurden, lernen bei ihrem 66. gemeinsamen Einsatz neben dem beinharten Konkurrenzkampf innerhalb einer TV-Produktionsfirma auch viel Neues über angestaubte Exorzismuspraktiken aus dem Mittelalter, die sich bis in die deutsche Gegenwart gehalten haben. Spaß machen aber eher die bissigen One-Liner von Batic ("Auf was für Ideen man kommt, wenn man keinen Sex hat.") und die verbitterten Kommentare der gefrusteten Anast-Kollegin Ines Lohmiller (Claudia Hübschmann), die dem Erfolgsmoderator genauso wenig Tränen nachweint wie der Rest seiner Mitmenschen.

Zu denen zählt auch der Mörder, der im furchtbar konstruierten Finale in letzter Sekunde von den Kommissaren vor dem sicheren Flammentod bewahrt wird und den Krimi mit unfreiwillig komischen Monologen endgültig die Bodenhaftung verlieren lässt. Allmächtiger! Einen so enttäuschenden Tatort gab es aus München seit Jahren nicht mehr. Da rettet auch der Gastauftritt des früheren Saarbrücker Tatort-Kommissars Gregor Weber (letzter Auftritt im Meilenstein Verschleppt) am Ende wenig.

Bewertung: 4/10

Schwindelfrei

Folge: 889 | 8. Dezember 2013 | Sender: HR | Regie: Justus von Dohnányi
Bild: HR/Katrin Denkewitz
So war der Tatort:

Tumorfrei.

Denn LKA-Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur) kann endlich aufatmen: Der Tumor, dessen Anagramm ihm seinen Nachnamen bescherte, ist Geschichte!

Surreale Träume und morbide Wahrnehmungsstörungen hatten den Kommissar vor allem in Das Dorf geplagt, als ihm Regisseur und Drehbuchautor Justus von Dohnányi (Eine bessere Welt) sogar sein eigenes Gehirn auf einem Silbertablett servierte und viele Zuschauer mit seiner musiklastigen und eigenwilligen Krimigroteske (Auftritt der Kessler-Zwillinge inklusive) fulminant vor den Kopf stieß.

Dass Das Dorf von großen Teilen der Presse gefeiert und sogar für einen Grimme-Preis nominiert wurde, scheint sich von Dohnányi weniger zu Herzen genommen zu haben als die irriterten Publikumsreaktionen – Murots dritter Einsatz, bei dem der Filmemacher erneut am Ruder sitzt, ist nicht ansatzweise so mutig und ausgefallen wie der Vorgänger, man möchte fast sagen: Schwindelfrei ist enttäuschend gewöhnlich.

Eine klassische Whodunit-Konstruktion (mit einer vermissten Frau statt der üblichen Auftaktleiche), biedere Ermittlungsarbeit, langatmige Dialoge und eine erschreckend vorhersehbare Auflösung: Einmal mehr ist der prominenteste Nebendarsteller im Tatort der Mörder und sein Tatmotiv früh zu erahnen – es führt zurück in die Zeit des Kosovo-Krieges, der im Tatort bei weitem nicht zum ersten Mal aufgegriffen wird (zuletzt im Wiener Meisterwerk Kein Entkommen).

Dass der 889. Fadenkreuzkrimi trotz dieser inhaltlichen Schwächen zu unterhalten weiß, liegt an seiner knallbunten Verpackung und seinem nostalgieschwangeren Schauplatz: Er spielt zu großen Teilen in einer Zirkusmanege.


ZIRKUSDIREKTOR:
Wir leben hier auf einer kleinen einsamen Insel.


Der Zirkus Raxon, dem Murot in Fulda gemeinsam mit seiner Sekretärin Magda Wächter (Barbara Philipp) zur Feier der einleitenden Diagnose einen Besuch abstattet und von prompt von Bauchredner Buca (Jevgenij Sitochin, Der Tote im Nachtzug) zum Spontangesang in die Manege gebeten wird, bildet einen interessanten und originellen, wenn auch nicht gänzlich von der Außenwelt abgeriegelten Mikrokosmos.

Wir werden entführt in eine bunte, eigene Welt, in der einer der Angestellten um Buca, Pianist Charly (Leonard Carow, Mord auf Langeoog), Zirkusdirektor Raxon (Josef Ostendorf, Sterben für die Erben), Messerwerfer Frank (Uwe Bohm, Es ist böse), der hünenhafte Ex-Ringer Zoltan (Norbert Heisterkamp, Bittere Mandeln), Sängerin Rosalie (Zazie de Paris, später Stammgast im Frankfurter Tatort) oder Artistin Caja (Dorka Gryllus, Familienaufstellung) ein finsteres Geheimnis verbirgt.

Weil sich nur einer der Angestellten (auch unabhängig von seinem prominenten Gesicht) als Täter aufdrängt, plätschert der Krimi vor allem im Mittelteil lange vor sich hin – Twists und doppelte Böden, die gerade einem verspielten Zirkus-Tatort gut zu Gesicht gestanden hätten, bleiben leider aus.

Erst auf der Zielgeraden kommt Schwindelfrei in Schwung: Murot, der sich zuvor als Aushilfspianist im Zirkus eingeschleust hatte, schleicht in bester 007-Manier als Clown ins Rampenlicht – in etwa so, wie es 1983 James Bond (Roger Moore) in Octopussy tat, als er im gleichnamigen Zirkus in letzter Sekunde vor den Augen des ahnungslosen Publikums eine tickende Zeitbombe entschärfte.

Trotz der großen Zugeständnisse an das klassische Tatort-Konzept lässt sich Justus von Dohnányi im Übrigen einen amüsanten Seitenhieb auf den Rest der Krimireihe nicht nehmen: Murot schaut den berühmten Tatort-Vorspann in seinem Hotelzimmer – und just in dem Moment, als die Geschichte des Krimis beginnt, schaltet er den Fernseher gelangweilt ab. Volltreffer.

Bewertung: 5/10

Happy Birthday, Sarah

Folge: 888 | 1. Dezember 2013 | Sender: SWR | Regie: Oliver Kienle
Bild: SWR/Stephanie Schweigert
So war der Tatort:

Überholt von der schwäbischen Realität.

Staatsanwältin Emilia Álvarez (Carolina Vera) dürfte nämlich so ziemlich die Einzige sein, die bei der TV-Premiere des Krimis am 1. Adventssonntag 2013 im piekfeinen Restaurant des Stuttgarter Fernsehturms bei prächtigem Ausblick zu Abend diniert: Kurz nach dem Abschluss der Dreharbeiten von Happy Birthday, Sarah wurde der Touristenmagnet wegen Brandschutzgefahr für die Öffentlichkeit geschlossen  und aus Kostengründen lange Zeit nicht mehr geöffnet.

Diese für das ortskundige Fernsehpublikum unfreiwillig amüsante Szene bleibt beim 13. gemeinsamen Einsatz der Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) aber der einzige Fauxpas: Regisseur und Tatort-Debütant Oliver Kienle inszeniert einen grundsoliden und für Stuttgarter Verhältnise überraschend humorvollen, mit lässigen One-Linern gespickten Tatort, der auch im Hinblick auf die Skizzierung der heutigen Jugend erfreulich authentisch ausfällt.

Anders als viele Drehbuchautoren der jüngeren Vergangenheit – man denke zurück an die peinlichen Tatort-Katastrophen Der Wald steht schwarz und schweiget oder Dinge, die noch zu tun sind – zeichnet Wolfgang Stauch (Die schöne Mona ist tot) erfreulicherweise keine müden Teenager-Stereotypen: Der Drehbuchautor nötigt die Jungdarsteller im Jugendzentrum "Klaus' Haus", in dem Sozialarbeiter Andreas Haber (Nikolaj Alexander Brucker, Ohne Beweise) einleitend in der Toilettenschüssel ertränkt wird, nicht zu pseudocoolen Sprüchen und realitätsfernem Gehabe, und der junge Filmemacher Kienle räumt seiner Hauptdarstellerin Ruby O. Fee bei der Interpretation ihrer titelgebenden Hauptfigur Sarah großen Freiraum ein.

Sarah ist erwartungsgemäß nicht die Täterin – stattdessen einmal mehr eine Nebenfigur, die im Mittelteil des Krimis aus dem Blickfeld gerät und sich in typischer Tatort-Manier pünktlich zur Auflösung wieder in den Vordergrund drängt. Nachwuchsdarstellerin Fee ist dennoch der unumstrittene Star im 888. Tatort und bringt die heranwachsende Rebellin, die die letzten verbleibenden Tage vor der Strafmündigkeit für falsche Geständnisse und Kurzschlussreaktionen nutzt, charismatisch und glaubwürdig auf die Mattscheibe.

Es macht Spaß, ihrer aufmüpfigen Sarah dabei zuzusehen, wie sie die genervten Hauptkommissare mit ihrer Sturheit zur Weißglut bringt und sich in den emotionalen Streitgesprächen mit ihrer Schwester, der personifizierten Stuttgarter Unterschicht Jeanette (Britta Hammelstein, Willkommen in Hamburg) und deren wild tätowiertem Lover Ronald (Antonio Wannek, Todesschütze, "Na, zurück in der Hölle des Löwen?") behaupten kann.

Weit weniger unterhaltsam gestalten sich die schleppenden Familienszenen von Neu-Single Bootz und seinen Kindern: Vor allem der freche Sohnemann, der das Handy des gestressten Kommissars in der Badewanne versenkt und dem Papa bei einer Festnahme vom Streifenwagen aus zujubelt, erinnert stark an den nervtötenden Präsidiumskasper Giuliano (Joshua Jacobs) aus der grauenvollen Odenthal-Folge Der Schrei, wird von seinem Erzieher aber mit bemerkenswerter Geduld umsorgt.

Der Bootzsche Familienkitsch bleibt jedoch das einzige größere Manko eines ansonsten guten Fadenkreuzkrimis: Happy Birthday, Sarah macht einfach Laune und nutzt Sarahs minütlich näher rückende Strafmündigkeit auf der Zielgeraden für einen knackigen Countdown. Da hat man im Tatort-Jahr 2013 wahrlich schon Schlechteres gesehen.

Bewertung: 7/10