Ohnmacht

Folge: 911 | 11. Mai 2014 | Sender: WDR | Regie: Thomas Jauch
Bild: WDR/Martin Menke
So war der Tatort:

Ärgerlich – und das aus mehreren Gründen.

Zum einen wirkt Ohnmacht wie ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten: Mit dem starken Franziska und dem guten Der Fall Reinhardt wähnte man den lange in der Versenkung verschwundenen Kölner Tatort wieder auf dem aufsteigenden Ast – doch nach einem spannend inszenierten Auftakt in einer U-Bahn-Station, bei dem Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) dem Tod nach einer Prügelei mit Jugendlichen knapp von der Schippe springt, ist diesmal für lange Zeit die Luft raus.

Regisseur Thomas Jauch (Alter Ego) und Drehbuchautor Andreas Knaup (Nasse Sachen) erzählen eine gut gedachte, aber weniger gut gemachte Geschichte, die man in ähnlicher Form schon besser gesehen hat: Im vielgelobten Gegen den Kopf bekamen es die Berliner Kommissare ebenfalls mit rabiaten Bahn-Schlägern zu tun, doch im Vergleich dazu kann Ohnmacht selten mithalten. Denn meist wird viel zu dick aufgetragen: Es hagelt platte Binsenweisheiten, betroffene Blicke und überflüssige Kommentare, in denen Ballauf und sein Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) aussprechen müssen, was die Bilder von Kameramann Clemens Messow längst entlarvt haben.

Ärgerlich ist der Fall aber auch für die Ermittler, die das Jugendstrafrecht am liebsten neu schreiben würden: Dass die unterkühlte Haftrichterin Carola Blessing (Anne Cathrin Buhtz, Hundeleben) – typisch für dieses Rollenbild im Tatort – in erster Linie mal ihren Job macht, gerät angesichts ihres arroganten Auftretens und ihrer sturen Paragraphenreiterei, die Ballauf auf die Palme bringt, leicht in Vergessenheit. Hier hätte man sich weniger plumpe Zaunpfahl-Kritik am deutschen Rechtsstaat gewünscht: Lösungsansätze liefert der 911. Tatort, in dem der 2013 verstorbene Christian Tasche zum vorletzten Mal als Staatsanwalt von Prinz zu sehen ist, erwartungsgemäß keine.

Muss er ja auch nicht.

Doch es passt es ins Bild, dass auch beim Blick auf die jugendlichen Rabauken viele Klischees bemüht werden: Keiner der jungen Charaktere vermag mit seinem Verhalten zu überraschen. Der hochnäsige Bald-Jurist Adrian Hamstetten (Sven Gielnik, Puppenspieler) lässt die Kommissare ausgerechnet beim Waschen eines schicken Cabrios abblitzen, das verhätschelte Prinzesschen Janine Bertram (Nadine Kösters) hat es natürlich faustdick hinter den Ohren und das aggressive Problemkind Kai Göhden (Robert Alexander Baer) tritt jegliche Autorität mit Füßen.

Auch Janins Vater Gerolf (gut: Felix von Manteuffel, Rosenholz) und ihre Mutter Elisabeth (stark: Corinna Kirchhoff, Schleichendes Gift), die seit Jahren nicht mehr miteinander schlafen und die Probleme mit ihrer Tochter verdrängen, bleiben trotz ihrer charismatischen Auftritte zu schemenhaft. Während Jungschauspielerin Kösters als perfekt frisiertes Unschuldslamm mit Hang zur Gewalteruption in erster Linie wie der Engel auf Erden aussehen muss, neigt Baer zum Over-Acting und bleibt vor allem mit pseudocoolen One-Linern und penetranter Zeichensprache in Erinnerung.

Dass sich die Prügel-Teenager am Ende mit einem simplen Bauerntrick aufs Kreuz legen lassen, will nicht zu ihrer vorherigen Gewitztheit passen und gipfelt in einem extrem konstruierten Showdown im Verhörzimmer, der fast in die unfreiwillige Komik abdriftet. Die heftige Schlusspointe, die die Ohnmacht der Erwachsenenwelt gegenüber dem kriminellen Nachwuchs noch einmal auf den Punkt bringen soll, kann das bei weitem nicht wettmachen.

Dem Tatort mangelt es aber auch einfach an Sympathieträgern: Die neue Nerd-Kollegin Miriam Häslich (Lucie Heinze) versucht sich als selbstbewusster Digital Native („Bin ja schließlich ausgebildete IT-Fachfrau und keine Tippse!“), nervt aber mit neunmalklugen Plädoyers fürs digitale Büro.

Dem staunenden Schenk, der seine Begeisterung mit eifrigem Lob („Das ist ja toll!“) und schwärmenden Blicken unterstreicht, schickt sie ein Protokoll aufs Smartphone: Willkommen im Jahr 2014, Freddy. Papierfreund und SMS-Laie Ballauf („LOL?“) hingegen lässt die Assistentin ein per Spracherkennung erstelltes Protokoll abtippen, weil darin „Brombeerjacke“ statt „Bomberjacke“ zu lesen ist. Ein Wahnsinnsgag. Aber kein Wahnsinnstatort.

Bewertung: 4/10

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