Borowski und die Kinder von Gaarden

Folge: 941 | 29. März 2015 | Sender: NDR | Regie: Florian Gärtner
Bild: NDR/Christine Schroeder
So war der Tatort:

Alarmierend.

60 Prozent der Kinder im Kieler Stadtteil Gaarden-Ost leben in einkommensarmen Familien, fast jeder Zweite erhält dort Leistungen für Arbeitssuchende – das sind erschreckende Zahlen und geradezu eine Steilvorlage für die Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn. Das Duo legt Borowski und die Kinder von Gaarden als triste Milieustudie mit sozialkritischem Ansatz an und orientiert sich bei seiner Geschichte an einem realen Fall aus Berlin – aber funktioniert der 25. Fall von Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) auch als Krimi?

Jein, denn das nötige Whodunit-Korsett engt die Geschichte spürbar ein, und Regisseur Florian Gärtner zieht die Spannungsschraube erst in der Schlussviertelstunde an. Bis dahin ermitteln Borowski und seine Partnerin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) meist getrennt voneinander: Aufhänger für den Ausflug nach Gaarden ist die Leiche des 60-jährigen Onno Steinhaus, in dessen Wohnung regelmäßig Kinder und Jugendliche ein- und ausgingen und mit dem abgehalfterten Pädophilen Bier und Pornos konsumierten.

Dass das die Eltern und Anwohner kaum störte, steht exemplarisch für die Abgründe aus sozialer Verwahrlosung und Gleichgültigkeit, die sich in dem Problemviertel an jeder Straßenecke auftun: Elendstourist Borowski arbeitet bei seinem titelgebenden Streifzug durch Gaarden die fehlende Perspektive der sogenannten "bildungsfernen Schichten" auf – doch echten Zugang zu den Figuren findet der Zuschauer nicht, weil der Kieler Hauptkommissar die meisten Anwohner nur flüchtig kennenlernt. Hundeliebhaberin Sina Bautzen (Marion Breckwoldt, Hochzeitsnacht) scheint sich eher für ihre Vierbeiner als für das Schicksal der Nachbarskinder zu interessieren, und auch der jungen Friseurin Sheryl begegnet Borowski nur ein einziges Mal.


BOROWSKI:
SHERYL? Das ist ein... ähm... interessanter Name.


Mehr Zeit nehmen sich die Grimme-Preisträger Eva und Volker A. Zahn (Scherbenhaufen) für den 15-jährigen Timo (Bruno Alexander), der wegen eines Internetvideos von den anderen Jugendlichen im Viertel erpresst wird, und seinen Bruder Leon (Amar Saaifan), der den Hund des Toten bei sich aufnimmt und vor seiner alleinerziehenden Mutter Inga (Julia Brendler, Die Falle) versteckt.

Daraus resultiert eine gewisse Vorhersehbarkeit: Früh wird deutlich, dass die Auflösung der Täterfrage nur über die beiden Brüder führen kann – oder über den Polizisten Thorsten Rausch (Tom Wlaschiha, Das letzte Rodeo), der vor der sozialen Verwahrlosung seines Reviers kapituliert hat. Dass ihn nicht nur mit Kollegin Brandt, sondern auch mit dem Toten eine Vorgeschichte verbindet, ist früh offensichtlich – nicht zuletzt, weil die Filmemacher beim ersten privaten Aufeinandertreffen der beiden Game of Thrones-Stars Kekilli und Wlaschiha einen kleinen musikalischen Hinweis platzieren.

Während Brandt also ihren ehemaligen Jugendschwarm datet und selbst beim "Wahrheit oder Schnaps"-Duell nicht aus der Reserve zu locken vermag, kämpft sich Borowski durch den tristen Sozialsumpf, in dem er vor allen von den titelgebenden Kindern von Gaarden seine Grenzen aufgezeigt bekommt. Erfreulich: Die Sprüche der aufmüpfigen Möchtegern-Gangster wirken frech und ungekünstelt, denn die Jungschauspieler Samy Abdel Fattah, Zoran Pingel, Jeffrey Tormekpey und Mert Dincer (Die Feigheit des Löwen) haben sichtlich Spaß am aggressiven Poser-Getue.

Einzig eine Bolzplatz-Szene, bei der Borowski mit einem simplen Trick Zugang zu den Teenagern findet, wirkt ebenso unglaubwürdig wie das Phänomen, dass Rausch als einziger Polizist überhaupt für den Problembezirk zuständig zu scheint. Und echte Spannung kommt im 941. Tatort erst am Ende auf: Während der vorprogrammierte Konflikt zwischen Borowski ("Schlafen Sie erstmal ihren Rauschi aus.") und Brandt eher harmlos ausfällt, entschädigt der bedrückende Showdown für die eher schleppende erste Filmhälfte.

So ist Borowski und die Kinder von Gaarden zwar unterhaltsam und der bisher persönlichste Fall für Sarah Brandt, reicht aber nicht an die jüngsten Highlights aus der Fördestadt heran.

Bewertung: 6/10

Das Muli

Folge: 940 | 22. März 2015 | Sender: rbb | Regie: Stephan Wagner
Bild: rbb/Frédéric Batier
So war der Tatort:

Echt berlinerisch, wa – zumindest deutlich berlinerischer als die Tatort-Folgen mit Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic).

Dem 2013 vom rbb geschassten, beim Publikum aber durchaus beliebten Ermittlerteam aus der Hauptstadt konnte man in den letzten Jahren wenig vorwerfen: Der Sender bescherte Raacke und Aljinovic unter anderem Publikumshits wie Gegen den Kopf, die wunderbare Suspense-Hommage Hitchcock und Frau Wernicke und zumindest einem der beiden Schauspieler in Vielleicht einen originellen und würdigen Abschied. Eines ließen die Fadenkreuzkrimis mit Ritter und Stark aber meist vermissen: Lokalkolorit. Berlinbezogene Folgen wie Mauerpark blieben die Ausnahme.

Nun steuert der Sender mit einem neuen Team dagegen: In Das Muli entführen die neuen Haupt(stadt)kommissare Nina Rubin (Meret Becker, Aus der Tiefe der Zeit) und Robert Karow (Mark Waschke, Familienbande) die Zuschauer gleich zum Auftakt an die hässlichsten Ecken Berlins. Der dreifache Grimme-Preisträger Stephan Wagner, der auch bei Gegen den Kopf und dem herausragenden Kieler Tatort Borowski und die Frau am Fenster Regie führte, dreht seinen Krimi vor graffittiverschmierten Betonkulissen, zeigt dem Publikum die Schnorrer-Szene der S-Bahnhöfe, die Armenspeisung am Zoo, die Spreepark-Ruinen und sogar die BER-Baustelle.

Mit der im Wedding geborenen Rubin darf neben der Wiener Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auch endlich ein zweite Tatort-Kommissarin Dialekt sprechen: Wenngleich Becker nicht jedes "ich" zum "icke" macht, verpasst ihre Berliner Schnauze dem Krimi doch jenes Hauptstadtfeeling, das der Tatort mit Raacke und Aljinovic oft vermissen ließ. Karow hingegen erinnert mit seiner überheblichen Arschloch-Attitüde an den Dortmunder Kollegen Peter Faber (Jörg Hartmann) und gerät schon nach der ersten Tatort-Besichtigung mit Rubin aneinander.


RUBIN:
Ick arbeite jetz' seit sechs Jahren bei der Mordkommission. Wie lange Sie?

KAROW:
Zwei Stunden und 16 Minuten. Kaffee?


Es ist ein grausiges Bild, das sich dem neuen Berliner Team beim Debüt bietet: Die Spurensicherung untersucht ein blutverschmiertes Bad in einer leerstehenden Wohnung, in der Drogenmogul Mehmet Erdem (Kida Khodr Ramadan, Melinda) Johanna "Jo" Michels (stark: Newcomerin Emma Bading) und eine Freundin einquartiert hatte. Beide wurden zum Drogenschmuggel von Mexiko nach Deutschland missbraucht – und während Erdem die Päckchen aus Jos Freundin herausschneidet und dabei einen der brutalsten Tatort-Morde aller Zeiten verübt, taucht das Mädchen mit ihrem Bruder Ronny (Theo Trebs, Fette Hunde) in der Hauptstadt ab.

Das Muli wird damit zur tickenden Zeitbombe: Platzt ein Päckchen im Magen, ist Jo so gut wie tot. Für zusätzliche Spannung sorgt Karows Vergangenheit als Drogenfahnder: Drehbuchautor Stefan Kolditz (Außer Kontrolle) eröffnet eine vielversprechende Nebenhandlung, die in den nächsten Folgen weitergeführt wird.

Auch dieses Serienmotiv erinnert an die Krimis aus Dortmund, während ansonsten – trotz etwas weniger Action - Erinnerungen an den Hamburger Tatort mit Nick Tschiller (Til Schweiger) wach werden: Mark Waschke mimte in Willkommen in Hamburg den Bösewicht, anstelle des Astan-Clans ziehen die Drogenhändler Erdem und Andi Berger (Robert Gallinowski, Freddy tanzt) die Fäden, und auch die brutale Gangart ist der an der Waterkant ganz ähnlich. Und während Schweiger der Klatschpresse mit seinem nackten Hintern in Kopfgeld eine Steilvorlage lieferte, schiebt Rubin im Hinterhof der Friedrichshainer Disco Cassiopeia einen Quickie mit ihrem Kollegen Jahn (Timo Jacobs, Hochzeitsnacht) und lässt den BH am Morgen danach im Schrank.

Ein wenig mehr Eigenständigkeit stünde dem neuen Berliner Team also noch gut zu Gesicht – doch unter dem Strich ist Das Muli ein gelungenes Debüt, dessen offenes Ende die Neugier auf die nächsten Folgen weckt. Auch die Familienszenen mit Rubins jüdischem Ehemann Viktor (Aleksandar Tesla, Borowski und das Meer) und den Söhnen Tolja (Jonas Hämmerle) und Kaleb (Louie Betton) bergen für die Zukunft privaten Sprengstoff.

Über kleinere Schönheitsfehler (die kalkweiße Jo wird beispielsweise aufgrund ihrer angeblichen Urlaubsbräune identifiziert) kann man angesichts der vielen starken Dialoge hinwegsehen – und allein die köstliche Szene, in der Karow die eifrige Hospitantin Anna Feil (Carolyn Genzkow, Unbestechlich) zur Schnecke macht, ist das Einschalten wert.

Bewertung: 7/10

Die Wiederkehr

Folge: 939 | 15. März 2015 | Sender: Radio Bremen | Regie: Florian Baxmeyer
Bild: Radio Bremen/Jörg Landsberg
So war der Tatort:

Rückwärtsgerichtet.

Denn zum wiederholten Male binnen weniger Wochen geht der Blick der Filmemacher zurück in die Vergangenheit: Die badische Revolution im Bodensee-Tatort Château Mort, Rückblenden ins Jahr des Prager Frühlings im Wiener Tatort Grenzfall, und auch in Blutschuld aus Leipzig prägte ein Jahre zurückliegendes Verbrechen das Geschehen im Hier und Jetzt entscheidend.

So ist es nun auch in Die Wiederkehr, bei dem Regisseur Florian Baxmeyer (Alle meine Jungs)  zum zehnten Mal für den Fadenkreuzkrimi aus Bremen am Ruder sitzt: Die Drehbuchautoren Stefanie Veith und Matthias Tuchmann, die auch an den Tatort-Meilensteinen Kein Entkommen und Weil sie böse sind mitschrieben, schlagen den Bogen ins Jahr 2005, in dem die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) ein verschwundenes Mädchen nicht finden konnten und sich ihr unter Mordverdacht stehender Vater in der U-Haft das Leben nahm.

Zehn Jahre später steht die verschollene Fiona Althoff (Gro Swantje Kohlhof, Rebecca) aber plötzlich auf der Türschwelle zu ihrem Elternhaus: Silke Althoff (Gabriela Maria Schmeide) und ihr Sohn Jan (Levin Liam, mimt später den Sohn von Hauptkommissar Falke im Tatort aus Hamburg) staunen nicht schlecht, und auch Adoptivtochter Kathrin (Amelie Kiefer) scheint ihre Schwester kaum wiederzuerkennen. Haben die Ermittler damals versagt oder ist das Mädchen vielleicht gar nicht Fiona?

Veith und Tuchmann konzipieren ein reizvolles Spiel aus Lügen und doppelten Böden, bei dem das Publikum mit mehreren Twists gekonnt in die Irre geführt wird. Und weil der 31. Fall für Inga Lürsen zugleich noch großartig besetzt ist, kommt am Ende ein kraftvolles und mitreißendes Krimidrama dabei heraus. Nach dem elektrisierenden Clan-Thriller Brüder, bei dem ebenfalls Florian Baxmeyer Regie führte, folgt hier das nächste Highlight aus Bremen – und das liegt nicht zuletzt an den bärenstark aufspielenden Nebendarstellerinnen.

Während Jungschauspielerin Gro Swantje Kohlhof ihre vielschichtige Rolle als pinkhaarige Göre bravourös meistert und den verdutzen Stedefreund schon beim ersten Verhör an seine Grenzen bringt ("Hast du jetzt'n Steifen?"), brilliert Gabriela Maria Schmeide (Borowski und die einsamen Herzen) als undurchsichtiges, verbittertes Familienoberhaupt, dem nach dem Verlust von Ehemann und Tochter nur noch wenig Lebensfreude geblieben ist.

Schon bei der ersten Begegnung von Mutter und Tochter beginnt man zu ahnen, dass im Hause Althoff irgendetwas nicht stimmt: Während die verlotterte Fiona nicht etwa ihre energische Mutter, sondern zuerst ihren schüchternen Bruder in die Arme schließt, scheint Mutter Silke ihren totgeglaubten Sprössling gar nicht zu erkennen. Prüfende Blicke, vorsichtiges Beschnuppern und skeptisches Betasten der Haare – warum nur diese Skepsis?

Die Wiederkehr ist eine faszinierende Kreuzung aus Verwirrspiel und Familiendrama, das dem Zuschauer keine Verschnaufpausen gestattet und in dem das Geheimnis um Fionas wahres Schicksal bis in die Schlussminuten gekonnt verschleiert wird. Frei von Logiklöchern (Wo zum Beispiel sind die zwei Dutzend Fotografen, als Wiederkehrerin Fiona zum ersten Mal das Haus verlässt?) ist das gelegentlich etwas konstruiert wirkende Krimidrama zwar nicht, aber unterhaltsam und spannend ist es zu jedem Zeitpunkt. Spätestens als Revolverheld Klaas (Tilman Strauß) in die Bremer Stadtrandidylle einbricht und seiner ehemaligen Weggefährtin das Leben schwer macht, kommt richtig Betrieb in den Krimi.

Lürsen und Stedefreund stochern bei der Suche nach der Auflösung lange im Nebel – und mit ihnen der Zuschauer, der Zeuge eines buchstäblich atemberaubenden Finales und einer richtig starken Bremer Tatort-Folge wird.

Bewertung: 8/10

Grenzfall

Folge: 938 | 8. März 2015 | Sender: ORF | Regie: Rupert Henning
Bild: ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Milenko Badzic
So war der Tatort:

Überambitioniert.

Zwar sind ausländische Geheimdienste und grenzüberschreitende Ermittlungen – man denke zurück an Paradies, in dem Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Major Bibi Fellner (Adele Neuhauser) zuletzt einen Ausflug nach Ungarn wagten – im Wiener Tatort keine Seltenheit, doch hat man von Beginn an das Gefühl, dass Regisseur und Drehbuchautor Rupert Henning ein bisschen viel in seinem Krimi unterbringen möchte.

Der österreichische Tatort-Debütant schlägt in Grenzfall den Bogen ins Jahr des Prager Frühlings, in dem an der tschechoslowakisch-österreichischen Grenze 1968 viele Republikflüchtlinge den Tod fanden. Ähnlich wie im nur wenige Wochen zurückliegenden Bodensee-Tatort Château Mort werden regelmäßig Rückblenden ins gegenwärtige Geschehen eingeflochten – das geht zwar harmonischer vonstatten als bei den Kollegen aus Konstanz, doch ändert das nichts an dem Gesamteindruck, dass der elfte Einsatz von Eisner und Fellner trotz einiger guter Ansätze zu überfrachtet wirkt.

Dabei gibt es nur einen einzigen Toten zu beklagen: Bei einer Paddeltour auf dem malerisch gelegenen Grenzfluss Thaya fällt der 45-jährige Tscheche Radok ins Wasser, kurz darauf wird seine Leiche aus dem Fluss gezogen. Unfall oder Mord? Den Wiener Ermittlern ist das zunächst mal egal – schließlich ist jede Abwechslung willkommen, wenn sie die beiden nur vor dem Abarbeiten der Aktenberge rettet, die ihnen ihr Vorgesetzter Ernst Rauter (Hubert Kramar) und der neue Assistent Manfred "Fredo" Schimpf (köstlich: Thomas Stipsits, Angezählt) auf den Schreibtisch knallen.

Nach kurzem verbalen Infight geht es bei herrlichem Sonnenschein hinaus ins niederösterreichische Waldviertel.


RAUTER:
Ich will so sagen...

EISNER:
Dann sag's.

RAUTER:
Ich hab's gesagt, hast du's gehört?

EISNER:
Wenn du's gesagt hast?

RAUTER:
Ich hab's gesagt.

EISNER:
Dann hab ich's gehört.


In der tschechischen Grenzregion wird es aber schon bald unübersichtlich: Der Journalist Max Ryba (Harald Windisch), auf den Eisner überhaupt nicht gut zu sprechen ist, arbeitet das Leben seines verschollenen Vaters und dessen undurchsichtigen Jugendfreundes Fritz Gassinger (Charly Rabanser, Die Macht des Schicksals) auf, bei Unternehmer Josef Karger (Lukas Resetarits) und Ehefrau Dani (Isabel Karajan, Glaube, Liebe, Tod) hängt der Haussegen schief, und die kesse Archäologie-Professorin Thiele-Voss (Andrea Clausen) und ihr unterbezahlter Assistent Schmiedt (Marcel Mohab) graben am Ufer der Thaya mysteriöse Hundeskelette aus.

Reichlich Stoff für einen stark historisch angehauchten Tatort – und spätestens, wenn Fellner und Ryba nach einem hölzern inszenierten Sturz in den allenfalls knietiefen Grenzfluss beim Kleidungswechsel auch noch halbherzig auf Tuchfühlung gehen müssen, verkommt das Krimidrama mit ernster Grundausrichtung vorübergehend zur Klamotte.

Das ist schade, denn es gibt durchaus starke Momente und reichlich bissige Dialoge: Neu-Assi Schimpf ("Klingt a bissl wie an Imperativ, oder?") stiehlt mit seiner sympathischen Grunzlache mehrere Szenen, Archäologin Thiele-Voss haut einen frechen Spruch nach dem nächsten raus ("Immer die Bilder zeigen, Laien lieben Bilder!"), und die Hörsaal-Sequenz mit Eisners altem Weggefährten Professor Kreindl (Günter Franzmeier) und dessen herrlich überzeichneten Studierenden ist eine erfrischende Variation der obligatorischen Pathologie-Besuche. Eher blass bleibt aber die tschechische Staatspolizistin Ester Tomas (Darina Dujmic, Operation Hiob), die bei ihrem Gastspiel allenfalls durch kleinere Sprachwackler auf sich aufmerksam macht.

Aus Grenzfall hätte ein starker Tatort werden können – doch die seichten Zwischensequenzen, die zudem mit klamaukiger Dudelmusik untermalt werden, rauben dem Krimidrama schnell die Substanz. So wirkt letztlich auch die Abspann-Einblendung "Zur Erinnerung an die Opfer auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs" überambitioniert – ein ernsterer Erzählton und ein weniger kitschiger Schlussakkord hätte dem 938. Tatort gut zu Gesicht gestanden.

Bewertung: 5/10