Söhne und Väter

Folge: 1009 | 29. Januar 2017 | Sender: SR | Regie: Zoltan Spirandelli
Bild: SR/Manuela Meyer
So war der Tatort:

Vaterfixiert.

Denn Regisseur Zoltan Spirandelli, der auch beim letzten Saarbrücker Tatort Totenstille Regie führte und das Drehbuch zu Söhne und Väter mit Autor Michael Vershinin schrieb, erzählt die Geschichte dreier junger Erwachsener, die ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater haben.

Da ist zum einen Karim Löscher (Emilio Sakraya), dessen Stiefvater Dirk Rebmann (Crisjan Zöllner) in den 90er Jahren die Tour de France gewann und nach einem vermeintlich natürlichen Tod vor allem als Leiche in diesem Film zu sehen ist. Dann sein Kumpel Pascal Weller (Emil Reinke), der gemeinsam mit Karim auf die Schnapsidee kommt, Rebmanns Leiche im Bestattungsinstitut zu schänden, und der nicht nur von seinem Vater Rudi (Thomas Schweiberer), sondern auch von seiner herrischen Mutter Renate (Christine Zart) und seiner Schwester Rebecca (seltsame Nacktszene: Marie Bendig, Kartenhaus) für seine kleinkriminellen Eskapaden getadelt wird. Dritter im Bunde ist Enno Bartsch (Filip Januchowski), der beim nächtlichen Einstieg der Jungs in das Institut besoffen auf einem Leichentisch einschläft und am nächsten Morgen ebenfalls tot ist: Enno litt unter seinem Vater Hermann (Klaus Müller-Beck), der ihn misshandelt und in die Alkoholsucht getrieben hat.

Für die Saarbrücker Hauptkommissare Jens Stellbrink (Devid Striesow) und Lisa Marx (Elisabeth Brück) gibt es bei der Suche nach den Mördern und Todesursachen reichlich Familiendramen aufzuarbeiten, doch auch der eigene Haussegen wird auf die Probe gestellt: Wir lernen Stellbrinks Sohn Moritz (Ludwig Simon, auch Striesows realer Sohn) kennen, der gleich mal mit Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider), der Kollegin seines Vaters, um die Häuser zieht. Auch hier ist der Vater-Sohn-Konflikt vorprogrammiert und wurde ganz gezielt in diesen Tatort geschrieben.


MORITZ:
Ich zieh um. Bei Mia in der WG ist noch ein Zimmer freigeworden.


Söhne und Väter ist ein hochspannender Tatort – doch leider nicht im Hinblick auf den uninspiriert abgespulten Kriminalfall, sondern im Hinblick auf das Personalkarussell, das im Saarland Fahrt aufnimmt.

Staatsanwältin Nicole Dubois (Sandra Steinbach), die deutlich mehr Menschlichkeit ausstrahlt als noch in Melinda oder Eine Handvoll Paradies, gestehen die Filmemacher im 1009. Tatort erneut nur eine einzige Szene zu – und auch Marx, auf dem Papier mit Stellbrink gleichberechtigt, spielt oft nur die dritte oder vierte Geige. Unumstrittener Fixpunkt des Films ist einmal mehr der rollerfahrende Kommissar, der bei seiner eigenwilligen Ermittlungsarbeit – Austern schlemmen und Schach spielen inklusive – neben Kriminaltechniker Horst Krause (Hartmut Volle) vor allem von Emmrich unterstützt wird. Es ist der Beginn einer Wachablösung.

Der vielköpfigen Figurenschar im Präsidium stehen die unzähligen Tatverdächtigen in nichts nach: Wer in diesem unübersichtlichen und oft konzeptlos wirkenden Tatort am Ende noch den Namen der Schulrektorin weiß, hat definitiv gut aufgepasst. Der Kriminalfall ist inhaltlich wie personell überfrachtet, die hölzernen und oft aufgesetzt wirkenden Dialoge reihen sich auf Vorabendniveau aneinander und häufig wird viel zu dick aufgetragen: Wenn Töchterchen Rebecca in der Tür steht, heimlich ein Bekenntnis ihres Vaters belauscht und dann enttäuscht ins Bild stürmt, hat das mehr von Gute Zeiten, schlechte Zeiten als von einem wettbewerbsfähigen Sonntagskrimi.

Und als sich Professor Boerne (Jan Josef Liefers) und seine Assistentin "Alberich" (Christine Urspruch) 2008 im tollen Münster-Tatort Wolfsstunde versehentlich zum Blind Date verabredeten, mag das noch witzig und originell gewesen sein – in Söhne und Väter wird diese Idee einfach lauwarm wieder aufgewärmt.

Die positiven Aspekte an diesem schwachen Tatort lassen sich an einer Hand abzählen: Die richtige Auflösung dürften nur wenige Zuschauer erraten, Jophi Ries (Bienzle und der süße Tod) erledigt in der Rolle des vorbestraften Kochs Jean Carlino einen sehr soliden Job und auch der Klamaukanteil – ein früheres Markenzeichen der Saar-Krimis – hat sich erfreulicherweise reduziert.

Bis zu einem wirklich überzeugenden Tatort ist es für Stellbrink & Co. aber noch ein weiter Weg.

Bewertung: 3/10

Schock

Folge: 1008 | 22. Januar 2017 | Sender: ORF | Regie: Rupert Henning
Bild: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican
So war der Tatort:

Systemkritisch.

"Kein Amoklauf, keine Affekthandlung, keine Rache. Keine religiös, ideologisch oder rituell motivierte Tat. Darum geht's hier nicht", macht der junge Geiselnehmer David Frank (Aaron Karl, Unvergessen) den alarmierten Wiener Ermittlern Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) schon in seinem ersten Bekennervideo deutlich – er verfolgt andere Ziele. Franks Kritik richtet sich gegen das System als solches, gegen den Kapitalismus, die Globalisierung und die in seinen Augen so gnadenlose Leistungsgesellschaft von heute. Und sie hat ihn zu der von langer Hand geplanten Tat veranlasst, seine Eltern Agnes (Silvia Wohlmuth, Kinderspiel) und Hans Georg Frank (Hans Piesbergen, Strindbergs Früchte) als Geiseln zu nehmen und die Welt über die sozialen Netzwerke dabei zuschauen zu lassen.

Seine nüchtern und sachlich vorgetragene Videobotschaft ist ein vielversprechender Auftakt zu einem Tatort, der in der Folge aber deutlich weniger schockiert, als es der Krimititel nahelegt: Regisseur und Drehbuchautor Rupert Henning (Grenzfall) erzählt in Schock eine überraschend dialoglastige Geschichte und erfüllt nebenbei auch noch den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag.

Schon in den Anfangsminuten des Krimis dürfen wir der renommierten Amoklauf-Expertin Sarah Adler (Mercedes Echerer) in ungewohnter Ausführlichkeit dabei zuhören, wie sie sich im Hörsaal der Wiener Universität mit dem realen Amoklauf von Erfurt auseinandersetzt und dabei die Frage stellt, die nach solchen Schreckenstaten oft auf Trauerbotschaften zu lesen ist: Warum?

Die Wiener Ermittler tappen bei der Suche nach Franks Motiv lange im Dunkeln und müssen sich vom Geiselnehmer mehrfach vorführen lassen – zum Beispiel dann, wenn sie einen Serverraum der Uni stürmen und vor laufender Kamera nur einen Gruß des Täters finden, der die Aktion live ins Netz gestreamt hat.


EISNER:
Ich will gelobt werden.

FELLNER:
Wofür?

EISNER:
Dafür, dass ich net ausraste.

FELLNER: Bravo, Moritz! Guter Moritz!


Vergleicht man Schock mit thematisch ähnlich gelagerten Folgen wie Feierstunde oder Hochzeitsnacht, werden im Hinblick auf das Erzähltempo und die Dosierung von Action und Gewalt große Unterschiede deutlich: Diesmal geht es für die Ermittler weniger darum, einen Wettlauf gegen die Zeit zu meistern und in letzter Sekunde Geiseln zu retten, die der Zuschauer diesmal ohnehin bis in die Schlussminuten gar nicht zu Gesicht bekommt.

 Im 1008. Tatort ist der Weg das Ziel und die Vorgeschichte des Täters wichtiger als die Tat selbst: Nicht umsonst platzieren die Filmemacher im Schlussdrittel einen ausführlichen Rückblick auf vergangene Jahre, in dem das familiäre Umfeld des Geiselnehmers beleuchtet und Ansatzpunkte dafür geliefert werden, was ihn zu einer solchen Schreckenstat veranlassen könnte. Auch Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig) und ihr neuer Freund Kerem (Mehmet Sözer) geben dem gewohnt grantelnden Eisner Denkanstöße mit auf den Weg: schlimmer Stress an der Uni, zu hohe Erwartungen und die Furcht davor, am Ende als einer von vielen auf der Strecke zu bleiben.

Auf der Strecke bleibt dabei aber oft auch die Spannung: Wirklich aufregend wird es in Schock erst beim Showdown, doch unterhaltsam ist der 15. Einsatz von Eisner und Fellner allemal – die obligatorischen Grabenkämpfe im eilig von Oberst Ernst Rauter (Hubert Kramar) zusammengestellten Krisenstab liefern den einen oder anderen bissigen Dialog und ein paar witzige One-Liner, die sich vor allem gegen "Korinthenkacker" Gerold Schubert (Dominik Warta) vom Verfassungsschutz richten.

Der macht eine deutlich bessere Figur als viele andere Störenfriede einer übergeordneten Behörde vor ihm, wie zum Beispiel wenige Wochen vorher Staatsschutz-Kollege Kesting (Jürgen Prochnow) in Borowski und das verlorene Mädchen: Sieht zunächst alles nach dem üblichen Kompetenzgerangel und einem frühen K.O.-Sieg für Schubert aus, sorgt er später für den größten Überraschungsmoment in diesem unter dem Strich soliden Tatort.

Auch sonst brechen die Filmemacher mit einigen ungeschriebenen Gesetzen der Krimireihe: Es fehlt vor allem an der obligatorischen Auftaktleiche, denn es muss kein Mord aufgeklärt, sondern verhindert werden. So ist Schock eine durchaus originelle und mit vielen Denkanstößen gespickte Krimi-Variation, die aber nicht ganz an die besten Fälle mit den gewohnt prächtig harmonierenden Wiener Ermittlern heranreicht.

Bewertung: 6/10

Wacht am Rhein

Folge: 1007 | 15. Januar 2017 | Sender: WDR | Regie: Sebastian Ko
Bild: WDR/Thomas Kost
So war der Tatort:

Heikel.

Denn bei ihrem 68. gemeinsamen Einsatz geraten die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) mit zwei Gruppierungen aneinander, die in den Monaten vor der TV-Premiere des Films für reichlich Negativschlagzeilen gesorgt haben: kriminelle Flüchtlinge und ausländerfeindliche Rechtspopulisten.

"Irgendwann wird es uns nicht mehr geben, dann sind wir fremd im eigenen Land", lautet eine von vielen plumpen Parolen des besorgten Bürgers Dieter Gottschalk (Ex-Polizeiruf 110-Kommissar Sylvester Groth, Wer das Schweigen bricht), für die es auf einer PEGIDA-Kundgebung oder einem Parteitag der AfD tosenden Applaus geben würde – und auch in seinem Kölner "Veedel" erntet er reichlich Zustimmung für seine Hetze.

Nach ein paar Überfällen und dealenden Ausländern an jeder Straßenecke macht man sich Sorgen um die eigene Sicherheit und hat die titelgebende Bürgerwehr Wacht am Rhein gegründet, die Patrouille auf den Straßen läuft: In vorderster Front dabei sind auch der marokkanische Ladenbesitzer Adil Faras (Asad Schwarz) und die junge Mutter Nina Schmitz (Nadja Bobyleva, Kaltblütig) – anders als der aalglatte Gottschalk gehen die beiden aber einen Schritt zu weit und entführen Faras' Landsmann Baz Barek (Omar El-Saeidi, Rabenherz), der in Köln studiert und mit dem Mord am Sohn von Zooladenbesitzer Peter Deisböck (Paul Herwig) und Ehefrau Katharina (Helene Grass, Stille Tage) gar nicht zu tun hat. Doch mitgefangen, mitgehangen: Wenn die Bürgerwehr Selbstjustiz übt, reicht ein falscher Pullover, um als krimineller Ausländer eingestuft zu werden.

Schenk kann der Wacht am Rhein freilich auch Positives abgewinnen:


SCHENK:
Wir sind seit Jahren chronisch unterbesetzt. Vielleicht ändert sich ja mal was!


Regisseur Sebastian Ko (Kartenhaus) und Drehbuchautor Jürgen Werner (Zahltag), der in den letzten Jahren mit seinen starken Drehbüchern für den Tatort aus Dortmund für Aufsehen sorgte, setzen sich zum einen mit den falschen Vorurteilen gegenüber vorbildlich integrierten Bürgern mit Migrationshintergrund auseinander. Zum anderen illustrieren die Filmemacher, wie ein Unschuldiger durch vorschnelle Schlussfolgerungen in die Täterrolle gedrängt werden kann – eine Erfahrung, die auch der farbige Assistent Tobias Reisser (Patrick Abozen) machen muss.

Doch da ist noch der dritte Aspekt, der diesen Tatort so heikel macht: Um die dramatisch endenden Fehltritte der Bürgerwehr auszulösen, braucht es im 1007. Tatort ein klares Feindbild – und das sind kriminelle Flüchtlinge wie der unter Tatverdacht stehende Nordafrikaner Khalid Hamidi (Samy Abdel Fattah, Borowski und die Kinder von Gaarden), der von seinen Freunden rigoros gedeckt wird und dem deutschen Rechtsstaat schamlos ans Bein pisst. Sollte man die schwarzen Schafe unter den Zuwanderern in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm so stark in den Mittelpunkt rücken und damit weitere Vorurteile schüren?

Fiktive Figuren wie der aufmüpfige Hamidi sind schließlich Wasser auf die Mühlen der Ausländerfeinde – und ähnlich wie in Ohnmacht bekommt Ballauf den mangelnden Respekt gegenüber der deutschen Polizei sogar am eigenen Leib zu spüren. Doch anders als im überschätzten Kölner Tatort von 2014 reagieren die Kommissare besonnen: Ballauf und Schenk bilden in der aufgeheizten Atmosphäre den Ruhepol des Films, weil sie im Brennpunkt zwischen rechter Hetze und provokanten Kriminellen nie den Überblick verlieren.

Unabhängig von diesem gesellschaftskritischen Ansatz funktioniert Wacht am Rhein aber auch als Whodunit: Der packend in Szene gesetzte Auftaktmord im finsteren Zoogeschäft gestaltet sich bewusst unübersichtlich, so dass das letzte Wort bei der Suche nach der Auflösung erst spät gesprochen wird. Bei der Rekonstruktion des Tathergangs kommen dann nicht nur die Fans der Ermittler aus der Domstadt auf ihre Kosten: Ballauf und Schenk exerzieren einen rund einminütigen Dialog nur mit zustimmendem "Hmmmm" und verneinendem "Hm-Hm" durch - einfach köstlich.

Eingefleischten Tatort-Kennern dürfte darüber hinaus noch eine weitere Szene große Freude bereiten: Klaus Doldinger, Komponist der legendären Tatort-Titelmusik, ist in einer Cameo-Rolle als Saxophonspieler zu sehen.


SCHENK:
Sach mal, war das nich...

BALLAUF:
Nein.

SCHENK:
Nee, ne? Nee, das kann doch gar nich sein.

BALLAUF:
Oder?

SCHENK:
Nee!


Bewertung: 7/10

Land in dieser Zeit

Folge: 1006 | 8. Januar 2017 | Sender: HR | Regie: Markus Imboden
Bild: HR/Degeto/Bettina Müller
So war der Tatort:

Reich an deutschsprachigen Liedern und Gedichten – und auch an rechtem und nationalistischem Gedankengut.

Da ist zum einen der neue Kripo-Chef, der in Land in dieser Zeit ohne jede Vorwarnung der ARD den bisherigen Kommissariatsleiter Henning Riefenstahl (Roeland Wiesnekker) beerbt: Der musste seinen Schreibtisch nach seinem letzten Auftritt im schrägen Tatort Wendehammer für seinen Nachfolger Fosco Cariddi (Bruno Cathomas, Borowski und der Engel) räumen, der in jeder freien Minute die eigenwilligen Werke des österreichischen Dichters Ernst Jandl zitiert und nicht nur den verdutzten Hauptkommissaren Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch), sondern vielen Zuschauern ein dickes Fragezeichen auf die Stirn zaubert.

Und da sind zum anderen drei junge Frauen, die ihre Freizeit in der rechten und rechtsintellektuellen Szene verbringen und gemeinsam im Chor singen: Friseurin Vera Rüttger (Jasna Fritzi Bauer), ihre Mitbewohnerin Juliane Kronfels (Anna Brüggemann, Tod einer Heuschrecke) und Margaux Brettner (Odine Johne) trällern am liebsten deutsche Volkslieder wie das titelgebende Kein schöner Land in dieser Zeit oder Hoch auf dem gelben Wagen und wehren sich vehement "gegen die Vermischung der Ethnien" und afrikanische Dealer am Frankfurter Tettenbornplatz. Dort arbeitet Margaux im Kiosk ihres Vaters, dort schneidet Vera im Friseursalon ihrer Chefin Rosi Grüneklee (Birge Schade) Haare, und in eben diesem Salon finden die Kommissare nach einem Brandanschlag die verkohlte Leiche von Veras Arbeitskollegin Melanie Elvering.

Mit dem dealenden Senegalesen John Aliou ist ein Hauptverdächtiger für den Anschlag schnell gefunden: Dass Schauspieler Warsama Guled im Dortmunder Tatort Kollaps 2015 eine fast identische Rolle spielte, dürfte allerdings nur wenigen Zuschauern auffallen. Sehen ja ohnehin alle gleich aus, oder?


RÜTTGER:
Was weiß ich, 'n Schwarzer eben.


Die Drehbuchautoren Khyana el Bitar (Das namenlose Mädchen), Dörte Franke (Verschleppt) und Stephan Brüggenthies (Das erste Opfer) begeben sich mit der vor allem von Brix vorgelebten Political Incorrectness ("Scheiß Flüchtlinge, merde!") auf dünnes Eis, doch es sind auch andere Dinge, die diesem verkorksten Tatort das Genick brechen: Neben der unbefriedigenden Auflösung lassen die Filmemacher das Gespür für eine stimmige Mischung aus kniffligem Kriminalfall, humorvollen Zwischentönen und gelegentlichen Exkursen ins Privatleben der Ermittler über weite Strecken vermissen.

Der rote Faden geht in Land in dieser Zeit oft verloren, weil das Erfolgsrezept der Krimireihe zugunsten von Dialogwitz und überflüssigen Trivialitäten vernachlässigt wird: Mehr als einmal fallen Akten zu Boden oder es wird Kaffee verschüttet, weil im Präsidium aus Versehen jemand angerempelt wird.

Das negative i-Tüpfelchen auf den missglückten Genremix sind die nervtötenden Vorlesungen von Neu-Chef Cariddi, der Brix schon bei der ersten Begegnung grundlos als "Clown" beschimpft und ein bisschen zu sehr darum bemüht ist, dass die Herkunft des Hauptverdächtigen ja nicht an die Öffentlichkeit gerät. Spannung will selten aufkommen, die Nebenfiguren sind eindimensional gezeichnet und ihre Motive bisweilen schwammig: Warum die junge Vera sich zu Glatzköpfen und Schlägern hingezogen fühlt, wird allenfalls angedeutet, während die Existenzängste ihrer Chefin in wenigen Sätzen abgefrühstückt werden.

Immerhin: Die Auseinandersetzung mit dem rechten Milieu fällt differenziert aus, weil die Kommissare nicht alle fremdenfeindlichen Verdächtigen über einen Kamm scheren und die Denkweise von Juliane und Margaux sehr wohl von Veras zu unterscheiden wissen ("Rechts ist nicht immer gleich rechts.").

Im Vergleich zum thematisch ähnlich gelagerten Kölner Beitrag Odins Rache oder zum Dortmunder Tatort Hydra kann die 1006. Ausgabe der Krimireihe, den erneut der zuletzt vielbeschäftigte Regisseur Markus Imboden (WendehammerKlingelingeling) inszeniert, aber bei weitem nicht mithalten. Zum Glück findet der bis dato so überzeugende Tatort aus Frankfurt schon bald wieder in die Spur und der neue Kripo-Chef ein deutlich gesünderes Maß an poetischen Exkursen.

Bewertung: 4/10