Fangschuss

Folge: 1017 | 2. April 2017 | Sender: WDR | Regie: Buddy Giovinazzo
Bild: WDR/Martin Menke
So war der Tatort:

Sabotiert.

Denn ein besonderes Schmankerl im 31. Tatort mit Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) gibt es in der Pathologie zu entdecken: Verstehen Sie Spaß?-Moderator Guido Cantz hat sich während der Dreharbeiten auf den Seziertisch geschlichen und als Leiche mit Pupsen und anderen untoten Geräuschen für zusätzlichen Spaß am Set gesorgt.

Der pünktlich zur TV-Premiere von Fangschuss bekannt gegebene Gag ist aber auch fast schon das Aufregendste an diesem enttäuschenden Beitrag aus Westfalen: Die Drehbuchautoren Stefan Cantz und Jan Hinter, die als Erfinder der Tatort-Folgen aus Münster gelten, liefern einmal mehr nur noch das, was die Fans von Thiel und Boerne sehen wollen. Regisseur Buddy Giovinazzo (Rendezvous mit dem Tod) inszeniert eine seichte Mischung aus Krimi und Komödie, die kaum Spannung und wenig Originelles bietet und in der das routinierte Abspulen der mal mehr, oft weniger gelungenen Witzchen in eine hanebüchene Geschichte mündet.

Während man sich an die immergleichen Frotzeleien zwischen Boerne und Assistentin Silke "Alberich" Haller (Christine Urspruch) und das Reduzieren von Zwei-Szenen-Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) auf ihre Nikotinsucht längst gewöhnt hat, tappen die Filmemacher diesmal auch von einer Klischeefalle in die nächste: Da gibt es die elitäre Jagdgesellschaft unter Leitung der renommierten Wissenschaftlerin Dr. Freya Freytag (Jeanette Hain, Scheinwelten), in der sich Möchtegern-Jäger Boerne natürlich pudelwohl fühlt, einen schwulen Friseur mit Neigung zum Tratschen und – wie so oft im Tatort – einen Journalisten mit zweifelhaften Methoden, der posthum noch die Vorurteilskeule von Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) zu spüren bekommt.


KRUSENSTERN:
Die saufen aber auch zur Inspiration.


Journalist Jens Offergeld (Christian Maria Goebel, Schön ist anders) ist nicht das einzige Opfer in diesem Tatort, bei der die Suche nach dem Mörder zweitrangig ist: Einleitend stürzt IT-Experte Sebastian Sandberg in den Tod. Sebastian Sandberg, Freya Freytag, Jens Offergeld: Sogar die sprechenden Figurennamen in Fangschuss klingen wie aus dem Überraschungsei oder einer schlechten TKKG-Folge.

Und dann ist da noch Leila Wagner (Janina Fautz, Sonnenwende): Die sture Schulabbrecherin gibt vor, Thiels Tochter zu sein, trägt demonstrativ blaue Haare und wird dafür von einer Nonne schräg angeglotzt – viel dicker kann man kaum auftragen. Wer indes glaubt, der Kommissar bekäme von heute auf morgen Nachwuchs in die Geschichte geschrieben, glaubt wahrscheinlich auch an den Weihnachtsmann – und so entwickelt der Vaterschaftstest im Mittelteil bei weitem nicht den emotionalen Punch, den sich die Filmemacher wohl erhofft haben.

Wie schwach auch die Rahmenhandlung um die Suche nach dem Doppelmörder und die Lieferungen von kontaminiertem Gemüse im Futtermittelbetrieb von Horst Martens (Michael Schenk, Borowski und der brennende Mann) auf der Brust ist, zeigt sich besonders an einer Szene: Fahndete im vor allem handwerklich herausragenden Kieler Tatort Borowksi und das dunkle Netz zwei Wochen zuvor noch ein halbes Ermittlerdutzend fieberhaft nach einem im Darknet angeheuerten Auftragskiller, klärt sich eine ähnliche Angelegenheit hier in fünf Sekunden am Telefon.

Statt zum pfiffigen Krimispaß wird Fangschuss zur plumpen Nummernrevue: Die Geschichte ist wild zusammengeschustert und am Ende hängt alles irgendwie zusammen – das hat eher was von Traumschiff oder Vorabendprogramm und wenig mit früheren tollen Folgen aus Münster zu tun, die auch Spannendes boten (vgl. Wolfsstunde). "Vaddern" Thiel (Claus-Dieter Clausnitzer) wurde gleich komplett aus dem Drehbuch gestrichen – die junge Leila auch noch mit ihrem potenziellen Kiffer-Opa zu konfrontieren, hätte das Kasperletheater aber wohl auch perfekt gemacht.

So ist ihr Gekabbel mit Thiel und dessen durcheinander gebrachte Gefühlswelt am Ende noch das Interessanteste im 1017. Tatort – und wären da nicht Leilas permanente Selbstgespräche, die das erzählerische Erfolgsprinzip Show, don't tell ad absurdum führen, könnte man die Kleine sogar ins Herz schließen. Ihr Intermezzo bleibt aber einmalig: Innovationen und neue Figuren scheut der WDR in Münster wie der Teufel das Weihwasser, und deshalb geht eben einfach alles so weiter wie bisher.

Bewertung: 4/10

3 Kommentare:

  1. Spitzentatort! Alles was man am Münstertatort liebt wird gezeigt. Eine Leiche und viel Wortwitz zwischen Boerne und Thiel. Die Idee mit der vermeintlichen Tochter von Thiel brachte die Prise emotionaler Verstrickungen. Ein klassische Krimikomödie. Bitte mehr solche Folgen, wo der Zuschauer für sein Geld das bekommt, was er erwartet!

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  2. Bin der gleichen Meinung, spitze

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  3. Langeweile pur. Müde Handlung, dazu noch die Charaktäre, die - vor allen Dingen Boerne - zu Witzfiguren werden. Eine der schlechtesten Tatorte, die ich kenne.

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