Der irre Iwan

Folge: 929 | 1. Januar 2015 | Sender: MDR | Regie: Richard Huber
Bild: MDR/Wiedemann & Berg Television/Anke Neugebauer
So war der Tatort:

(Verw)Irre(nd).

"Ich verstehe gar nichts mehr", bringt es die doppelt betrogene Ehefrau Nicole Windisch (Therese Hämer, Kalter Engel) beim zweiten Fall der Weimarer Hauptkommissare Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner) irgendwann ernüchtert auf den Punkt – und der eine oder andere Zuschauer dürfte angesichts der absurden Handlungsschlenker und doppelten Böden in diesem Moment mit ihr fühlen.

Die (w)irre Geschichte um eineiige Zwillinge und getauschte Identitäten, die die Drehbuchautoren Andreas Pflüger und Murmel Clausen ihrem Publikum auftischen, ist spätestens nach einer Stunde und dem Leichenfund in einer Geisterbahn auf der Rudolstädter Kirmes kaum noch zu überblicken. Darum geht es den Filmemachern, die bereits den Vorgängerfall Die fette Hoppe konzipierten, aber auch gar nicht: Auch in Der irre Iwan steht der Spaß im Vordergrund, und den kann das Publikum mit Lessing, Dorn und all den skurrilen Charakteren, denen die beiden liierten Kommissare bei ihren Ermittlungen begegnen, reichlich haben.

Vorausgesetzt, er lässt sich auf das absurde Treiben ein: Der 929. Tatort ist schräg, schrill und völlig überzeichnet, und wer in der Hoffnung auf Nervenkitzel und einen kniffligen Krimi zum Miträtseln eingeschaltet hat, erlebt hier eine herbe Enttäuschung. Auch der zweite Tatort aus der Dichterstadt erinnert dank der zahlreichen ironisch angehauchten Dialoge und Frotzeleien an die Tonalität der Münsteraner Kollegen Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) – doch während die Quotenkönige in die Jahre gekommen sind und nur noch selten überraschen, präsentiert sich das neue Tatort-Pärchen aus Weimar frech, frisch und unverbraucht.


DORN:
Hast du gehört? Nach 21 Jahren Ehe wird das Körperliche überschätzt.

LESSING:
Dann gucken wir eben Fernsehen.


Regisseur Richard Huber (Auf der Sonnenseite) inszeniert keinen klassischen Krimi, sondern eine lockere Komödie, die zwar vollkommen spannungsarm, aber genauso kurzweilig ausfällt wie ihr Vorhänger: Der irre Iwan sprüht nur so vor verrückten Einfällen und Dialogwitz.

Ulmen und Tschirner harmonieren erneut prächtig und präsentieren sich bereits eingespielter als manches altgediente Tatort-Duo. Deutlich wird dies vor allem in den köstlich trockenen Dialogen, in denen Lessing seine zukünftige Ehefrau immer wieder mit einem mahnenden "Frau Dooorn!" tadelt, während er sich selbst ein wahres Spitzenfeuerwerk (zum Beispiel wegen seiner wenig athletischen Figur) gefallen lassen muss.

Die Schauspieler und  Filmemacher nehmen den Film und die Figuren zu keinem Zeitpunkt ernst – da flieht schon mal eine Leiche vom Seziertisch, bevor ihr Gerichtsmedizinerin Dr. Seelenbinder (herrlich pragmatisch: Ute Wieckhorst) den Schädel aufsägen kann. Vom Leichenfund in der Geisterbahn über eine Verfolgungsjagd im Spiegelkabinett und finalem Shoot-Out am Schießstand ist in diesem Tatort so ziemlich alles dabei. Nur bei den tückenreichen Go Trabi Go-Gedächtnisfahrten in einem uralten VW ihres Vorgesetzten Kurt Stich (Thorsten Merten) wird der Bogen deutlich überspannt, denn hier wird aus der Komödie dünner Klamauk.

Für Farbe im Figurenensemble sorgen diesmal unter anderem der wütende Kettensägenclown Caspar Bogdanski (sympathisch: Dominique Horwitz) und die tätowierte Tresendame Peggy Schuhschnabel (nackt: Michelle Monballijn), die Lessing und Dorn wie selbstverständlich oben ohne durch ihr FKK-Paradies führt. Schauspielerisch glänzen tut vor allem Jörg Witte (Ordnung im Lot), der als irrer Stadtkämmerer Iwan Windisch und Zwillingsbruder Josef Eisenheim mal eben eine Doppelrolle aus dem Ärmel schüttelt. Schüttelten auch die Drehbuchautoren dieselbigen – es würden gleich reihenweise Asse rausfallen.

Bewertung: 7/10

2 Kommentare:

  1. Dieser Tatort überzeugt fast auf ganzer Linie: Die vielen Handlungsschlenker bieten puren Spaß, die Masse nackter Menschen ist sehr amüsant, der Fall aberwitzig, der Wortwitz kann sich meistens sehen lassen. Allein, ich finde die Handlung verliert manchmal doch ein wenig den Boden unter den Füßen: Daher (und aufgrund des nicht immer voll ausgekosteten Wortwitzes) schrammt dieser Tatort für mich an der Wertung als starker Film ganz knapp vorbei: Verdiente 7/10 mit Tendenz nach oben!

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